Bei "Die Projektoren" hab ich mich binnen weniger Seiten festgelesen, das braucht vermutlich nochmal einen Urlaub, um den Anfang mit Schwung zu überwinden. Stattdessen gab es erst
Christoph Hein - Das Narrenschiff
Ein Geschichtspanorama durch 40 Jahre DDR, von der Staatsgründung bis zum Mauerfall. Erzählt wird in sehr nüchternem, klarem und einfachem Stil die Geschichte einer Handvoll Personen und ihrer Kinder, die sich alle auf unterschiedliche Weise mit dem System arrangieren. Gut zu lesen, aber richtig erreicht hat es mich nicht. (Fast) Allen Protagonist:innen ist eine Leidenschaftslosigkeit gemein, was man natürlich als Ergebnis äußerer Zwänge lesen kann, mir aber einen emotionalen Zugang erschwert hat. Wer nur ein Buch zum Thema lesen will, greift mE besser zum thematisch ähnlich gelagerten, literarisch aber deutlich besseren "In Zeiten des abnehmenden Lichts" von Eugen Ruge.
Jetzt auf vielfache Empfehlung des Forums hin (also oasupp und faxe):
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Eine ganz andere Welt, ab der ersten Seite.
"Auf deinem Shirt steh‘n die Dinge, Die du gerne wärst, nicht die du bist, Was im Grunde völlig in Ordnung ist. Nur: Wir können alle lesen Und du bist nie ein Dreckstück gewesen."
Lena Schätte - Das Schwarz an den Händen meines Vaters
Die Geschichte einer Alkoholikerfamilie, erzählt in nicht-chronologischen Episoden bzw. Fetzen, was einerseits gut zum Trinken, andererseits auch gut zu den sich über die Generationen ziehenden Teufelskreisen passt: Eigentlich ist egal, was in welcher Reihenfolge passiert, es ist eh nur eine weitere Runde im Karussell. Hart deprimierend, aber locker an einem Tag zu lesen, das macht es erträglich.
"Auf deinem Shirt steh‘n die Dinge, Die du gerne wärst, nicht die du bist, Was im Grunde völlig in Ordnung ist. Nur: Wir können alle lesen Und du bist nie ein Dreckstück gewesen."
Carlton Mellick III - Exercise Bike Ich zitiere mal den Verlag: "Der neue Heimtrainer von Tori ist aus Fleisch und Knochen. Er atmet und isst, und natürlich verdaut er und muss mal … Einst war er ein Milliardär namens Oscarson, der sich jahrelang Schönheitsoperationen unterzog, um seine tiefsten sexuellen Fantasien ausleben zu können. Jetzt ist Tori gezwungen, auf ihm zu strampeln, ihn wie ein normales Trainingsgerät zu benutzen, egal wie grotesk er aussieht. Eine absurde Horrorgeschichte über eine Frau, die mit einem Mann zusammenleben muss, der sich in ein fleischiges, lebendes Heimtrainer-Fahrrad verwandeln ließ. Und das ist wirklich nur eine der vielen absurden Ideen, die der 'König der Bizarro-Fiction' in diesem Roman schildert." Diese Beschreibung kommt ziemlich genau hin. Ich hatte meinen Spaß mit diesem völlig absurden Machwerk!
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Ich bin gerade mal wieder schwerstens fasziniert davon, auf welch unterschiedlichen Planeten wir beide leben und mit wieviel gutem Willen wir das jahrelang erfolgreich ignoriert haben. Würde mir lieber einen Fuß absägen, als so etwas freiwillig zu lesen.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Band drei um Bill Hodges - und zwar der traurige. End of Watch, so der viel bessere Originaltitel*, sagt da schon alles. Zumindest Leuten, die Bill Hodges & Holly Gibney schon kennen. Leider ist er ansonsten nicht annähernd so gut wie Mr. Mercedes und Finderlohn, die beiden Vorgänger, die storymäßig sehr viel komplexer und interessanter waren. In Mind Control passiert einfach zu wenig, um die über 500 Seiten zu rechtfertigen - sogar wenn man so geschwätzig ist wie King. Brady Hartsfield, der Mercedes-Killer aus dem ersten Band, liegt gar nicht mehr im Koma, wie alle denken, sondern ist zumindest geistig wieder mehr als nur voll da - und er ist auf Rache aus. Dafür ersinnt er einen ziemlich dummen und umständlichen Plan, vermutlich, um dem Buch einen Anschein von Komplexität zu geben. Der Plan geht nur so halb auf, denn King ist in seinen Romanen gern ein bisschen weicher und gibt ihnen Happy Ends. Zeitverschwendung ist dieses Buch nicht, immerhin haben wir unsere liebe Holly und Bill Hodges mochte ich auch auf Anhieb. Trotzdem nicht gerade ein Meisterwerk.
*Warum muss man denn unbedingt einen englischen Titel für die deutsche Ausgabe mit einem anderen englischen Titel versehen? Sie hätten bei "End of Watch" bleiben oder halt irgendeinen deutschen Titel nehmen können. Warum ausgerechnet "Mind Control"?
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Mir geht das auch immer auf die Nerven. "Mind Control" verstehst du auch mit geringen Englischkenntnissen, beim Originaltitel musst du schon mal wissen, was "watch" in dem Zusammenhang bedeutet.
Aber über diese deutschen Verlegertitel könnte ich mich endlos aufregen. Die gehen so oft vollkommen weg vom Originaltitel, es ist nicht mehr feierlich.
und wieder einmal ein dorfroman, wieder einmal aus österreich. nach zwei sachbüchern mit schweren themen tat das gut. nincshof ist ein dorf an der österreichisch-ungarischen grenze im burgenland, und was passiert, wenn eine gruppe von "oblivisten", die ihr dorf aus dem kollektiven gedächtnis verschwinden lassen wollen, und ein zugezogenes ehepaar aus der großstadt zusammentreffen, kann man hier nachlesen. das ganze hat nicht wirklich viel tefgang, ist aber für zwischendurch sehr hübsch zu lesen.
kein dorfroman und angenehm tiefgründig - kurze 200 (ebook-)seiten mit der geschichte einer japanerin (die frau in der gelben strickjacke), die eine andere japanerin (die frau im lila rock)... ja, was eigentlich? stalkt? oder ist es doch eine geschichte über bewusstseinsspaltung, verschiedene realitäten oder ähnliches? bis zum ende bleibt diese frage unbeantwortet, bis dorthin allerdings erfährt der leser allerhand über das dasein in japanischen hire-and-fire-jobs (hier: reinigungskraft im hotel), die gesellschaft und das leben. geschrieben ist das alles sehr trocken und wundervoll pragmatisch, kein schmetterling zuviel bahnt sich seinen weg durchs lesergehirn. mir hat es gefallen, mich hat es beschäftigt, und es wirkt nach. so muss das.
Jürgen Goldstein"Nick Drake-Eine Annäherung" Sehr zu empfehlen. Absolut krass,daß von Drake keinerlei bewegtes Bildmaterial existiert,abgesehen von einer 13-Sekunden-Festivalsequenz von 1970.Und selbst da ist man nicht 100 pro sicher,daß ER es ist.(Rückenaufnahme) Seine 3 absolut magischen LPs haben bei Veröffentlichung nur je ca. 5000 Einheiten verkauft,völlig unfassbar eigentlich. Wie dem auch sei,Goldstein beleuchtet die Hintergründe echt gut,viel gelernt. Daumen jedenfalls hoch dafür.
Soll jetzt nicht schnippisch klingen, aber das sind ja Infos, die man auch seit 20 Jahren bei Wikipedia lesen kann. Ich hoffe doch, dass das Buch noch etwas mehr in die Tiefe geht.