Schwer, noch was kluges hinzuzufügen, was noch nicht gesagt wurde. Insbesondere die Ausführungen von Lumich, gnathonemus und CobraBora kann ich nur 1:1 unterschreiben.
Dass es in Deutschland weder ernsthaft Seperatismusbstrebungen noch (unter den Leuten die ich kenne) Verständnis für radikalen Anti-Seperatismus gibt, liegt vielleicht daran, dass es hier in den letzten 100 Jahren keine dominante Bevölkerungsgruppe gab. Auch nicht die Preußen: Schon die Nazis, die sich ja auf germanische und preußisch-militaristische Traditionen beriefen, hatten ihre Hochburgen in Süddeutschland und ihre Führungsriege kam fast ausschließlich dorther.
Eher eine Frage als ein Kommentar, was die wirtschaftliche Lage von Korsika betrifft: Letzte Woche hat Eurostat die Zahlen zum regionalen pro-Kopf-BIP 2016 veröffentlicht: Korsika liegt 14% unter dem EU-Durchschnitt, somit noch im mittleren Drittel, vor manchen britischen, deutschen und französischen Regionen sowie vor einigen EU-Staaten. Ich weiß, dass das BIP nicht der einzige Indikator für die tatsächliche wirtschaftliche Lage ist, aber doch ein wichtiger. Kann man von einem Arrmenhaus sprechen?
Überhaupt ist die Frage, ob eine Abspaltung wirtschaftlich sinnvoll ist, doch eine, die man den Leuten vor Ort überlassen sollte. Im Gegensatz zur Frage des Minderheitenschutzes: Das ist einer der Gründe, die mir z.B. den katalanischen Nationalismus sehr unsympathisch machen: Es ist ja völlig legitim, dass die katalanische Sprache benutzt und gepflegt wird, aber Katalonien war schon immer zweisprachig, wurde aber in den letzten Jahren immer weiter auf einsprachig-katalanisch getrimmt: In öffentlichen Schulen ist, außer im Spanischunterricht, katalanisch die einzige Unterrichtssprache. Stell dir mal vor, deine Firma versetzt dich nach Hamburg und deine Kinder sind in der Schule mit ausschließlich plattdeutschem Unterricht konfrontiert.

…oder in der Lausitz würde nur noch sorbisch gesprochen oder in Schottland nur noch gaelisch. Es ist einfach nur absurd. Die Fanatiker unter den Katalanen wollen ihren Kindern eine Sprache vorenthalten, die auf der halben Welt gesprochen wird, zugunsten einer Sprache, die außer in einer Provinz Spaniens nur noch Minderheiten in Andorra und Frankreich sprechen.

Edit: Katalanisch ist Amtssprache in Andorra, wird muttersprachlich aber nicht einmal von der Hälfte der rund 80000 Bewohner gesprochen.

Zunächst sei gesagt, dass „regionale BIPs“ nicht in EURO, sondern per Kaufkraftparität (KKP) bzw. über die künstliche Währung Kaufkraftstandard (KKS) angegeben werden. Nur so kann man auch regionale Unterschiede beim Preisniveau mit berücksichtigen. Eine Mietwohnung etwa in Korsika wäre sonst gar nicht mit einer z.B. in München vergleichbar.

In Regionen mit eher niedrigem Einkommen kann es ein gutes „regionales BIP“ geben, wenn man vor Ort auch ein entsprechendes Preisniveau hat. Während das Bruttoregionalprodukt am Ort einer Arbeitsstätte gemessen wird, wird das Pro-Kopf-Einkommen immer am Wohnort erhoben.

Als Beispiel dazu mag eine Großstadt wie etwa London dienen. London-City liegt beim „regionalen BIP je Einwohner“ mit einem Wert von stolzen 600 % im Vergleich zum EU-Durchschnitt deutlich weit oben. Dies verwundert auch nicht, denn die extrem große „wirtschaftliche Leistung“ von London als Wirtschaftsstandort erzeugt einen hohen BIP je Einwohner. Obwohl diese selbst gar nicht einmal so viel verdienen müssen. Es geht eben um die Anzahl der in London gemeldeten Bewohner ( und nicht um die in London arbeitende Bevölkerung bzw. die dortigen Firmen). In der Praxis ist also nicht jeder Einwohner von London irre „reich“, wohl aber ist das regionale BIP bzw. Bruttoregionalprodukt für London extrem hoch, weil es eben auf die dort gemeldeten Einwohner bezogen ist. Die Regionen um London herum haben im Kontrast dazu ein eher niedriges regionales BIP je Einwohner; die regionalen Einkommen bzw. die Pro-Kopf-Einkommen in den dortigen Haushalten sind allerdings dennoch recht hoch. Und bezogen auf die Kaufkraft könnten die Bewohner des Umlandes sogar über dem Niveau von London liegen.

Man kann durchaus auch eine Südseeinsel mit einfacher wirtschaftlicher Struktur nehmen – wenn dort die Lebenshaltungskosten gering sind, bedeutet dies eben auch, dass Menschen dort trotz geringer Einkommen gut leben können. Anders sieht dies aus, wenn man die wirtschaftliche Potenz einer solchen Region betrachtet. Hier zählt dann auch, welche Mittel zur Verfügung stehen, um etwa Waren und Dienstleistungen zu importieren. Korsika etwa importiert viel und ein recht bedeutender wirtschaftlicher Zweig ist dort der Tourismus. Die Gelder des Tourismus mögen dort den regionalen BIP anheben – es steht aber zu befürchten, dass die Nutznutzer dieser Einkünfte auch Privatleute und Unternehmen aus Frankreich sind und nicht ausnahmslos die dort lebenden Korsen. Von daher wäre es für eine wirtschaftliche Unabhängigkeit von Korsika bedeutsam, mehr eigene Produkte anbieten zu können und auch den Tourismus stärker in Eigenregie zu managen.

Auch Deutschland importiert teils sehr viel. Bei Obst und Gemüse hat Deutschland derweil einen sehr geringen Selbstversorgungsgrad. Über 90 % des in Deutschland gegessenen Obstes stammt nun aus Importen und auch das Gemüse wird schon zu rund zwei Dritteln importiert. Dies hat auch mit veränderten Verbrauchergewohnheiten zu tun. Beliebtes Obst wie Bananen oder Zitrusfrüchte wächst hier nicht – in anderen Fällen wird vieles auch gern außerhalb der Saison gegessen und muss daher importiert werden. Zudem sinkt der Anteil der Selbstversorgung aus dem eigenen Garten. Im Gegenzug dazu exportieren wir aber auch sehr viele Produkte und insgesamt bleibt für uns somit eine positive Handelsbilanz (im Gegensatz zu etwa Korsika).

Gerade wenn das (nicht "der"😉) BIP in Kaufkraftparität gemessen wird, müsste Korsika aufgrund der Importabhängigkeit und der hohen Transportkosten schlechter Abschneiden als bei einem Vergleich des nominalen BIP/ Einwohner, das taugt also nicht zur Erklärung.
Stattdessen tauchen die Transferleistungen Frankreichs und der EU auf der Verwendungsseite des BIP auf und sorgen für den relativ hohen Vergleichswert Korsikas.

Zitat von akri im Beitrag #36

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Zunächst sei gesagt, dass „regionale BIPs“ nicht in EURO, sondern per Kaufkraftparität (KKP) bzw. über die künstliche Währung Kaufkraftstandard (KKS) angegeben werden. Nur so kann man auch regionale Unterschiede beim Preisniveau mit berücksichtigen.

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Dann frage ich lieber noch einmal nach: was genau ist mit dem „hohen Vergleichswert“ jetzt gemeint? Ein Wert über 80? Das „regionale BIP“ basiert ja allein auf dem Durchschnitt für Europa (EU28 = 100) und dem Kaufkraftstandard (KKS), der speziell Unterschiede beim Preisniveau ausgleicht.

Dennoch liegt Korsika unter dem BIP-EU-Durchschnitt. Und das Pro-Kopf-BIP für Korsika beträgt nur 77,5 % vom französischen BIP-Durchschnittswert. Frankreich selbst gehört beim BIP allerdings nicht mit zur europäischen Top-20 und Korsika ist die ärmste Region von Frankreich.

Das BIP auf Korsika ist stark vom Dienstleistungssektor abhängig (83 % !!!) und hier spielen vor allem öffentliche (französische) Kredite und der Fremdenverkehr (12 % des BIP) eine Rolle. Bitte einmal überlegen, was dies für eine Region bedeutet! Seit 2008 gab es von der EU im Rahmen des „operationellen Programms für die Region Korsika“ 425 Millionen Euro zur Erhöhung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung.

Eine “Kaufkraft“ mag ja auf Korsika gegeben sein, aber sie ist sicherlich nicht das Ergebnis einer für Korsika angenehmen Handelsbilanz. Ohne französische Zuschüsse und staatliche Aufträge würde es in Korsika weitaus schwieriger werden. Man darf hier ruhig einmal mit Griechenland vergleichen: auch dort lebte es sich für die Bevölkerung ja einst gar nicht so schlecht – trotz nicht unbedingt guter Wirtschaftsdaten. Von daher ist es fraglich, was nach einer Loslösung von Frankreich letztlich wirtschaftlich für Korsika noch machbar wäre… man sollte für Korsika nicht alle schwarzmalen, aber auch nicht alles in einem zu positiven Licht sehen wollen.

Pendler spielen auf Korsika sicher weniger eine Rolle. Dafür aber gibt es kein Bevölkerungswachstum. Es kommen Rentner hinzu. Und viele Tourismus-"Unternehmer" haben ihren Sitz gar nicht in Korsika. Wenn die Dienstleistungsbranche einbricht, wäre dies für viele Korsen ein Katastrophe. Man muss es nochmals betonen: keine 10 % der korsischen Wirtschaft sind produzierendes Gewerbe. Korsika benötigt vor allem zusätzliche Wirtschaftsbereiche...

Korsika hat neben der Insellage (Transportkosten) auch das Problem, dass es kaum Schnellstraßen gibt. Die Bahn benötigt für die 150 km zwischen Ajaccio und Bastia dreieinhalb Stunden. Sicher wäre es für einen wirtschaftlichen Aufschwung auch notwendig, die Infrastruktur zu verbessern.

Zudem verfügt Korsika über nur wenige natürliche Ressourcen und hat quasi keinerlei Rohstoffe. So bleibt neben etwas Landwirtschaft eben vor allem der Tourismus. Der Tourismus führt aber auch zu Immobilienspekulationen. Es gibt daneben noch die vom Staat geförderten Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich. Bedenklich ist aber, dass Frankreich derweil mit zu den am stärksten verschuldeten EU-Ländern gehört; kombiniert mit hoher Arbeitslosigkeit. Dies könnte dazu führen, dass bald Staatsausgaben eingespart werden müssen und Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden. Mit nicht unbedingt positiven Auswirkungen auf Korsika.

Immerhin: es gibt ein Konsortium mit 145 Unternehmern, die sich zur Corsica Maritima (CM) Holding zusammengeschlossen haben. Man betreibt nun die Fähren zum Festland und hält auch Anteile an der Tageszeitung „Corse-Matin“. Zudem gibt es Bestrebungen in einigen Dörfern, sie für junge Familien attraktiver zu machen.

Ein schwer einschätzbares Problem sind wohl auch vorgegebene „Strukturen“ bzw. die korsische Mafia. Sie hat die Wirtschaft und die Politik infiltriert. So sichert man sich überteuerte öffentliche Aufträge, man schachert zudem beim Bauland mit herum oder kassiert EU-Subventionen für gar nicht existentes Vieh. In diese „Strukturen“ müssten sich ja auch neue Wirtschaftszweige einfügen…

Zitat

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Katalonien-Konflikt
Puigdemont in Deutschland festgenommen
Stand: 25.03.2018 18:02 Uhr
Der katalanische Ex-Regionalpräsident Puigdemont ist in Schleswig-Holstein festgenommen worden, als er aus Dänemark nach Deutschland eingereist ist. Nun muss ein deutsches Gericht über eine Auslieferung entscheiden.
(Weiter auf Tagesschau.de)

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wieso? er wurde ja noch nicht ausgeliefert. das hiesige gericht prüft das ja gerade (den strafbestand der rebellion gibt es z.b. im deutschen recht nicht). und einfach einen eu-haftbefehl ignorieren wäre - glaube ich - auch nicht klug gewesen. was, wenn sich spanien revanchiert und einen deutschen eu-haftbefehl übergeht?

Irre, dass die Spanier diesen Mann ins Gefängnis stecken wollen. Hätte es Gewaltaktionen gegeben … aber so doch nicht. Aber dem Mann jetzt hier Asyl geben geht auch nicht. Was soll das dann für eine EU und was für ein Miteinander sein? Hätten sie ihn doch einfach an der Grenze nicht gesehen