Zitat von victorward im Beitrag #387Ich finde ja, dass "Geschäftsidee" in diesem Beispiel ein irreführender Begriff ist. Gewinnerzielung ist sicherlich keine Motivation für solch einen Laden. Aber idealistisch geführte Kleinbetriebe bergen doch oft die Gefahr, dass sich keine vernünftigen Gewinne erzielen lassen und am Schluss irgendwer was drauf legt. Deshalb einen vernünftigen Mindestlohn abzulehnen? Neee, wirklich nicht.
Es kann nur als Lohn bezahlt werden, was erwirtschaftet wird und das ist in strukturschwachen Regionen und bei kleinen Betrieben eben weniger als in Starnberg und/oder bei einem Weltkonzern. Wenn man da einen einheitlichen, hohen Mindestlohn festlegt, der bei einem beträchtlichen Teil von Betrieben über der Wertschöpfung liegt, kann man alternativ 80% aller Dörfer auch direkt abreißen, das verkürzt das Sterben. Ob das jetzt ein ehrenamtlich geführter Dorfladen ist oder ein privater Bäcker, Metzger, Friseursalon etc. ändert ja nicht viel an diesem Zusammenhang. Ein "vernünftiger" Mindestlohn berücksichtigt diese Faktoren, deshalb sollte man den Begriff nicht ausschließlich moralisch interpretieren.
dörfer abreißen, sterben verkürzen? droht womöglich die apokalypse?
können wir uns zumindest darauf einigen, dass ein vollzeitjob zum leben reichen sollte, ohne dass die allgemeinheit (das meint hier den durchschnittlichen steuer- und lohnnebenkostenzahler) massiv aufstocken/zuzahlen muss? wie das auf gerechte art und weise bewerkstelligt wird, müsste natürlich ausgearbeitet werden ... ich bin da ja kein experte, aber eins ist sicher: die wirtschaft/unternehmen/manager/superrreiche müssten wieder stärker beteiligt werden, und mit unternehmer meine ich keine betreiber von dorfläden oder friseursalons.
Ein Laden-/Geschäftssterben auf dem Land an Löhnen festzuhalten finde ich eh arg verkürzt. Andere Kosten wie Gewerbesteuer oder Mieten sind auf dem Land ja z. B. wiederum niedriger. Bei mir hier gibt es außer ein paar florierenden Gaststätten schon lange keine weiteren Geschäfte mehr. Die Gründe sehe ich zumindest hier aber eher bei anderen Faktoren, die mit mangelnder Attraktivität der Geschäfte zu tun haben. Wenn zum Einkaufen lieber in Ballungsräume gefahren oder der Bequemlichkeit halber online bestellt wird, dann machen kleine Geschäfte auf dem Land betriebswirtschaftlich oft einfach keinen Sinn.
Das Recht auf Niedriglohn, das LFB so vehement einfordert, muss am Ende auch jemand bezahlen. Das wäre dann die Allgemeinheit, in Form von Aufstockungen durch die Arbeitsagentur oder der Rentenversicherung, die Mindestrenten zahlen muss, was für den Einzelnen dann immernoch ein karges Leben bedeutet. Ich weiß nicht, ob man das noch ehrlicherweise „erwirtschaften“ nennen kann, wenn die Last einfach nur weitergegeben wird. Wenn Dörfer nur durch Niedriglöhne am Leben erhalten werden können (sagen wir mal, das wäre so), dann zeigt es doch den untauglichen Versuch betriebswirtschaftlich volkswirtschaftliche Probleme zu lösen. Da wird weder moralisch noch mathematisch ein Schuh draus.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Das sind keine Niedriglöhne! Wir reden schon jetzt von einem Mindestlohn über dem zigfachen des globalen Durchschnittseinkommens und spätestens bei 12 € in vielen Fällen auch über der dadurch entstandenen Wertschöpfung und das für ungelernte Tätigkeiten. Außerdem ist es doch vollkommen absurd, durch einen gewaltigen staatlichen Eingriff den allgemeinen Mindestlohn massiv anzuheben (bzw. das zu fordern) um dann anschließend unschuldig den machtlosen Ordnungspolitiker zu mimen ("dann funktionieren Dörfer und ganze Branchen eben nicht"). Außerdem ist es sozialpolitisch Irsinn so etwas zu tun, weil der theoretisch höhere Lohn der Angestellten ja faktisch in vielen Fällen zu Arbeitslosigkeit sowie (im Fall der ländlichen Nahversorgung) zu massiven Nachteilen für sozial wirklich Schwache führt, die darauf angewiesen sind. Aber ich verbrenne jetzt mein Diplom in Wirtschaftswissenschaften und lasse mir hier wieder die Welt erklären, ächz.
Da kann man meinetwegen schimpfen wie ein Rohrspatz. Es bleibt trotzdem die Frage: „Wer kommt wofür auf?“ Einen Lohn, mit dem sich in Vollzeit kein Lebensunterhalt generieren lässt, ist und bleibt ein Niedriglohn. Das Überleben jetzt und das im Alter finanzieren dann andere.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von victorward im Beitrag #396Gehts der Wirtschaft gut, gehts uns allen gut. Verstanden
ja, der gute alte trickle down-effekt - er wird immer noch bemüht, obwohl schon zigfach widerlegt. genauso wie das getöse und die horrorszenarien nach jeweiliger einführung/erhöhung von mindestlöhnen, von wegen massenabwanderung von unternehmen, pleiten und entlassungen. nichts davon ist eingetreten, aber es funktioniert noch immer, damit die politik den schwanz einzieht. und was der globale vergleich der mindestlöhne soll, solltest du nochmal deine ex-profs fragen.
das schreibt das organ des internationalen bolschewismus ("die welt") dazu:
ZitatNach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts sind die Reallöhne insgesamt in Deutschland im vergangenen Jahr um durchschnittlich 1,2 Prozent gestiegen. Neben den beiden genannten Vergleichsperspektiven hält das WSI eine dritte für relevant: die, in der der Mindestlohn ins Verhältnis gesetzt wird zum jeweiligen nationalen Medianlohn. „Der relative Mindestlohnwert wird hier als ein grober Indikator für die Angemessenheit des Mindestlohns verwendet“, schreiben die Autoren.
„Im Sinne der Armutsvermeidung gilt ein Mindestlohn erst dann als angemessen, wenn er bei mindestens 60 Prozent des Medianlohns liegt.“ Dementsprechend werde die 60-Prozent-Marke aktuell auch als Zielgröße für eine gemeinsame europäische Mindestlohnpolitik diskutiert. Tatsächlich würden auch die in Deutschland diskutierten zwölf Euro dieser Marke etwa entsprechen.
Im Umkehrschluss heißt das: Bislang ist Deutschland weit davon entfernt, einen auf diese Weise definierten existenzsichernden Mindestlohn zu haben. Laut WSI-Bericht für 2018 erreicht die Bundesrepublik einen relativen Wert von nur rund 46 Prozent. Die Entwicklung hin zu deutlich höheren Mindestlöhnen sieht das WSI dadurch unterstützt, dass die in der Vergangenheit befürchtete große Jobvernichtung nicht eingetreten ist.
die 13 euro sind nach einer richtlinie der eu-kommission berechnet - ebenfalls eine als äußerst wirtschaftsfeindlich bekannte institution.
Zitat von LFB im Beitrag #395 Aber ich verbrenne jetzt mein Diplom in Wirtschaftswissenschaften und lasse mir hier wieder die Welt erklären, ächz.
solltest du im rahmen dieses studiums gelernt haben, dass es sich um ein gutes wirtschaftssystem handelt, wenn 20 - 30 % der vollbeschäftigten unterhalb des existenzminimums herumkrebsen, hat dein ansinnen durchaus berechtigung.
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20.10.2021 12:15 (zuletzt bearbeitet: 20.10.2021 12:17)
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