mein punkt ist, dass man sich durchaus gedanken und sorgen um seine kinder machen darf und soll, aber sie nicht zu angsthasen erziehen sollte, indem man dauernd nur das böse hinter jeder ecke lauern sieht. ich habe einen solchen fall im erweiterten freundeskreis. eine glückliche kindheit sieht anders aus.

im moment ist mexiko sicherlich nicht das ideale reiseland, da gebe ich euch schon recht, aber ich halte es nicht für unverantwortlich von marlas eltern, sie zum damaligen zeitpunkt dort hin reisen zu lassen.

Nachdem meine beiden längst erwachsen sind, kann ich nur das Fazit ziehen, daß Erziehung oft überbewertet ist. Wichtig für mich war vor allem, daß die Kinder einen moralischen Kompaß entwicklelt haben und genügend Selbstvertrauen bekamen, um auch mal mit Rückschlägen umgehen zu können. Ab dem Teenageralter konnte und wollte ich vieles gar nicht mehr beeinflussen. Zum Glück waren aber beide auch vernünftig und haben das Glück nicht zu sehr herausgefordert. Meiner Tochter habe ich als Vater schon relativ früh viel Freiheiten gelassen, weil sie aber auch immer sehr zuverlässig war. Da hat mich schon der eine oder andere gefragt, ob ich das nicht zu locker nehme. Hab ich nie bereut.

Meine Tochter studierte einige Semester im Ausland.

Darunter eins in San Sebastian (Spanien) und eins in Mexiko. Elterliche Einmischung kam eh nicht mehr in Betracht, da sie zu dem Zeitpunkt längst volljährig war. Bei Spanien dachte ich, was soll da schon passieren. Ihr wurde die EC-Karte geklaut und ihr Konto um 1000 € erleichtert.

Gegen Mexiko hatte ich wie auch meine Ex-Frau viel mehr Bedenken. Nach dem ich wusste, wo, wie und mit wem sie wohnt war ich beruhigt. Als sie dann lapidar beim Skypen berichtete, dass sie und ihre vier Mitbewohnerinnen am Wochenende einen Ausflug nach Acapulco machen würde, war ich dann doch wieder beunruhigt.

Insgesamt wurde es wohl für alle der fünf jungen Damen das geilste Semester ihres gesamten Studiums.

Ok, Einzelfall, aber so kann man sich täuschen.

Na ja, was heißt Einzelfall? Meinst du, es ist die Regel, dass Besuchern in Mexiko etwas passiert? Ich glaube nämlich, dass die überwältigende Mehrheit völlig unbeschadet wieder gen Heimat reist - aber dass die Wahrscheinlichkeit, dass dort etwas passiert eben größer ist als in Luxemburg.

Verantwortungslos finde ich meine Eltern auch nicht. Sie kannten den Freund sehr gut und wussten, dass ich von seiner Familie gut behütet werden würde. Das war auch so. Die Gastfamilie hat mir beispielsweise verboten, alleine rauszugehen. Das habe ich dann doch gemacht und just kam es zu der Situation mit dem Pick Up. Das hätte mir mit 24 natürlich auch passieren können, aber da wäre ich sehr wahrscheinlich gar nicht alleine in eine Nachbarschaft gegangen, die ich nicht kenne.

Das hat jetzt natürlich nix mit Reisetipps zu tun, aber irgendwie kommt mir gerade diese (natürlich überspitzte) Episode "Arkangel" von Jodie Foster aus BLACK MIRROR in den Sinn.

Wer's nicht gesehen hat: Eine Mutter hat ihre Tochter eine gut gemeinte Überwachungs-App in deren mobiles Endgerät gepackt, für Notfälle eben. Auch mal eingeschaltet, wenn es es nicht wirklich notwendig war, ergaben sich für sie Schnappschüsse aus der Teenie-Welt, die halt irgendwie alltäglich sind, man den Eltern trotzdem nicht unbedingt erzählen will oder muss (irgendjemand hat halt auch mal Sex oder kommt in der Schule mit Drogen in Kontakt). Aus all den sporadisch, aber irgendwie auch nicht richtig einzuordnenden Einzelinfos, ist (gepaart mit Angst und Sorge), der Wahn der totalen Überwachung in Mama entstanden, was um der Dramatik Willen natürlich in einer Katastrophe endet, die mit etwas Grundvertrauen vermeidbar gewesen wäre. Jenes wurde aber strukturell unterlaufen, allein durch den Glauben, jedwede Sicherheit sei technisch machbar. In diese Falle können Eltern laufen, Staaten tun es sowieso schon.

Mit Einzelfall meinte ich natürlich nicht, dass einem Besucher Mexikos i.d.R. etwas (schlechtes) passiert. Ich wollte mit der Bemerkung nur Folgepostern vorbeugen, deren Kinder es vielleicht genau anders herum erfahren haben ;-)

Die vielen positiven Erfahrungen/Erlebnisse können aber davon abhängig sein, dass die fünf Studentinnen das Land mit Einheimischen erkundet und lieben gelernt haben.

Da fällt mir noch als Nachtrag ein recht heftiger Konflikt mit meinen Eltern und Schwiegereltern ein, was die Kindererziehung anbelangt:

In den 80ern waren meine Frau und ich öfter in Südostasien und haben uns voll in diese Reiseregion verliebt. Und so beschlossen wir, sollten wir mal ein Kind haben, vor dessen Einschulung ein Sabbatical zu nehmen um die Region ausführlich zu erkunden.

Das hielten o.g. Verwandte für unverantwortlich. Mit einem gerade fünfjährigen Kind eine sechsmonatige Rucksackreise. Es wurde die beste Reise unseres Lebens.

Gesundheitliche Auswirkungen für meine Tochter: eine zweitägige Bindehautentzündung, ein paar Kratzer von einer Katze und eine Brandblase an der Ferse von einem Dampfschwaden bei einer Vulkanbesteigung.

An diesen Urlaub kann sie sich noch heute erinnern!

Ergo: Kinder behüten: ja, Kinder überbehüten: nein!

Zitat von Berthold Heisterkamp im Beitrag #79

---

Ja. Vertrauen ins Kind ist die eine Sache, die sollte irgendwann gegeben sein. Aber Ängste hat man natürlich trotzdem, und manche Risiken sind größer als andere. Fraglos muss man in der Elternrolle (wie auch sonst) seine Ängste überwinden, zumal man es da nicht nur für sich tut sondern auch fürs Kind.

---