Jedes Mal frage ich mich, wenn ich nach Mannheim komme, wie eine so verdammt hässliche Stadt zwei der besten mir bekannten Konzertlocations haben kann (Alte Feuerwache und Capitol)... Das Konzert war jedenfalls schon Monate im Voraus ausverkauft und ich habe trotz Corona nur 5 freie Plätze ausgemacht. Der Support, Marlene aus Berlin, konnte mich allerdings noch nicht überzeugen. Klang mir zu sehr nach Dota, mit der ich einfach nichts anfangen kann. Agnes Obel hatte ich wiederum zuletzt als Duo mit Anne Müller gesehen. Dieses Mal trat sie mit gleich drei Mitmusikerinnen auf (Cello, Percussion, Violine). Es stand auch allerhand Elektronik mit auf der Bühne für die ganzen (Stimm)Effekte. Kurzum: Es klang gigantisch gut! Damit meine ich nicht nur den Sound, sondern besonders die Live-Umsetzung der Songs. Finde das neue Album ja "nur" gut, aber live klangen die Stücke dann noch mal viel organischer. 90 Minuten hat sie gespielt, unglaublich kurzweilige 1 1/2 Stunden. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich Agnes unbedingt live anschauen.
das war dann wohl der tanz auf dem vulkan. ich glaube nicht, dass irgendjemand zuhause geblieben ist. die schlange beim einlass war bestimmt 50 m lang und der typ vor mir hat die letzte karte an der abendkasse bekommen. drinnen herrschte herrliche brutschranktemperatur. also beste voraussetzungen für eine corona-party. aber egal, bei dieser show. schon die vorgruppe chastity war klasse. eigentlich stinknomaler indie-rock, aber mit genügend enthusiasmus vorgetragen, guten melodien, einem tollen gitarristen und einem sympathischen sänger. muss ich demnächst mal auschecken.
tja, und diiv haben halt genau das gemacht, was ich an ihnen liebe: zuckersüße harmonien und massive gitarrenwände - bzw. das erbe von my bloody valentine, slowdive und konsorten weiter zu tragen, so lange die abstände zwischen deren veröffentlichungen 15 bis 20 jahre beträgt. die songauswahl war schön gemischt. sogar ein song ("sometime") aus der zeit, als sie sich noch "dive" nannten war dabei und wurde gehörig gefeiert - kompetentes publikum also und enthusiastisch obendrein. es gab sogar einen mosh pit. die band war auch sehr angetan, nachdem wohl das gestrige konzert in wien abgesagt worden war. ich hatte heute auch kurz mal angedacht, daheim zu bleiben. jetzt bin ich heilfroh, dass ich es nicht gemacht habe.
Veil of Light (& Nella Lenoir) (18. Juli) und Steakknife (& ZikZak) (08. August) bei Toujours Kultur! in Karlsruhe
Eine Bühne auf einem Parkplatz vor einem geschlossenen Club, ein paar Stühle und Tische, die aus Bierkisten und Brettern improvisiert werden, eine Bar, zu der man nur mit Mundschutz darf, maximal 99 Personen dürfen rein, tanzen ist nicht. Klingt nicht gerade nach spaßiger Konzert-Atmosphäre, funktioniert aber erstaunlich gut. Beim Toujours Kultur!-Festival auf dem Schlachthofgelände in Karlsruhe (vor dem Substage) kriegen wir von Juli bis September, was uns so lange gefehlt hat - wenn auch mit oben genannten Einschänkungen. Und: Alles organisiert von den freien Kulturträgern in Karlsruhe, also Clubs wie dem KOHI, der Alten Hackerei etc. Eines der ersten Konzerte hat das KOHI organisiert: Veil of Light aus Zürich, die mit kühlem Synth-Industrial-Sound mit starkem Post-Punk- und Wave-Einschlag gleich an mehrere Helden der Genres erinnern, aber dabei immer eigenständig und mitreißend klingen. Zum ersten Mal auf einer vergleichsweise großen Bühne haben sich die beiden Herren gleich mal ordentlich ausgetobt, was den Spaß am Zusehen massiv erhöhte - wenn man schon nicht selbst tanzen kann, sollen das wenigstens die Stars machen. Und hüpfen sollen sie! Und von der Bühne springen! Die Leipzigerin Nella Lenoir dagegen beeindruckte mich im Vorprogramm nicht so richtig - was sie macht (Synthesizer einstellen, Loops generieren, singen) macht sie sehr gut, aber irgendwie kam keine Spannung auf, kein Feeling. Trip-Hop-Einflüsse soll sie haben, die hab ich aber eher nicht rausgehört. Vielleicht gebe ich ihr noch eine Chance, aber nicht wieder live. Dafür nervt ihr esoterisches Gemache zu hart. (Kann die Frau nicht normal gehen??)
Dann, ein paar Wochen später, präsentierte die Alte Hackerei Steakknife: astreiner Punk um Lee Hollis, den ich bisher nur als Schriftsteller kannte (Und von den Spermbirds, natürlich, aber mit denen hatte ich nie viel zu tun). Ich weiß nicht, ob man dazu viel sagen muss - die Herren hatten Bock, das hat man gesehen und gehört. Es wurde laut, roh und geil. Wegen eines verletzten Schlagzeugers musste die eigentliche Vorband Neat Mentals - wegen der ich das Ticket gekauft hatte, weil ein Freund dort Gitarre spielt - absagen, stattdessen kamen ZIK ZAK aus Darmstadt, die ihre Chance eindeutig nutzten und ihr ziemlich mitreißendes Album "egal" vorstellten. Sehr enthusiastisch, sehr spielfreudig, sehr schnell und laut - nicht immer einwandfrei, aber lustig. Ich hab die Platte gleich mal erstanden und bereue nichts - eindeutige Hörempfehlung für alle Punks. Zwischenansagen sollten sie noch mal üben, die waren immer etwa 90% weniger lustig, als die Jungs zu glauben schienen.
Meine Güte, fühlt es sich gut an, URLAUB IN POLEN zu lauschen! Ich würde euch gerne erklären, warum es sich lohnt, aber ich bin viel zu betrunken und euphorisch dafür. Hört sie euch an! Seht sie euch an! Sonntag bei Bumann in Köln zum Beispiel. Die sind klasse!
Gestern International Music. Ich hatte bisher nur ein gestreamtes Konzert gesehen und da gab es keine "Ansprache" zwischen den Stücken, also stellte ich mich zwar auf ein tolles Konzert ein, erwartete aber keine Konversation mit dem Publikum. Die Jungs sind ziemlich witzig was die Konversation angeht und ein tolles Konzert war es obendrein. Wenn jetzt noch richtig Sommer gewesen wäre, gar nicht auszudenken.
Ich kann nicht fassen, dass ich hier reinschreibe.
Brasshoppers Big Band Wermelskirchen, Kirchhof
Ich habe heute Live-Musik erleben dürfen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ich mich gerade fühle und ich kann es auch nicht in Worte fassen. Die meisten von euch wissen ja, dass mein linkes Ohr inzwischen keinen Bock mehr auf überragende Funktionalität hat, und ich deswegen verstärkt auf mein rechtes achtgeben muss. Einige erinnern sich vielleicht noch an meinen Facebook-Beitrag irgendwann gegen Ende 2019, als ich traurig meinen Abschied von Live-Konzerten genommen habe.
Doch heute dachte ich mir, ich riskiere es mal. Was hatte ich zu verlieren? Es war ein Benefiz-Konzert für die Opfer der Flutkatastrophe in der Nachbarstadt, bei freiem Eintritt und freiwilligen Spenden. Und es war Open Air. Und außerdem Big Band-Jazz, der normalerweise nicht die Lautstärkerekorde von Manowar einreißt.
Was soll ich sagen? Es ist alles gut gegangen, es war ein hinreißendes Konzert bei toller Atmosphäre in diesem schönen Kirchenhof. Die Band ist nicht perfekt, aber das hat sie gerade lebendig gemacht. Und lebendig habe auch ich mich gefühlt, wie ich ganz hinten so vor mich hingetanzt habe. So manche Träne musste ich mir heimlich aus dem Augenwinkel wischen.
Nach all der Corona-Scheiße, nach all dem ganzen Mist, der in meinem Kopf vorgeht und mich daran hindert, wieder ins Leben einzusteigen, war das heute ein kleiner Schritt dahin. Ein wichtiger.
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