Den Anspruch auf Verallgemeinerung sehe ich da eher als Anspruch auf Übereinstimmung mit einer Mehrheit. Wer irgendwo sagt, dass Album X sie üble Grütze, der erwartet ja womöglich auch, dass sehr viele andere diese Meinung teilen, dass eben fast alle das Album X als inakzeptabel bezeichnen. Weil viele auch Schwierigkeiten haben, andere Meinungen akzeptieren oder verstehen zu können; selbst in jenen Bereichen, in denen es zumeist um einen eher recht individuellen Geschmack geht …
Kaum einer wird sagen: „Es ist richtig, das Album X ist inakzeptabel, aber für mich ist es akzeptabel“ . Weil eben das, was für andere richtig ist, von einem persönlich ganz anders bewertet werden kann. Es kann ja sein, dass X Personen sich sagen: „Mmh, die Schweinshaxe schmeckt echt sehr gut, ist toll gewürzt und das Fleisch super zart, etc. Dennoch wird spätestens ein Veganer da anderer Meinung sein können und dürfen; ihn könnte schon der Gedanke ekeln, davon überhaupt essen zu müssen.
Auch bei so manchem Musikwerk gilt eher die gängige Übereinstimmung mit einer Mehrheit. Es wird daneben auch eine Minderheit geben, die eben anderer Meinung ist; die man nicht in eine solche Verallgemeinerung mit einbeziehen kann. Was hilft es auch, wenn die ästhetische Aussage lautet, dass ein Violinkonzert von Mendelssohn-Bartholdy einfach wunderbar ist, wenn jemand beim Anhören rein subjektiv alles als ein nervtötendes Rumgefidele empfindet. Der wird sich kaum sagen: ich höre da gerade etwas, was ich gut finden müsste, weil es anerkannt gut ist - und ich irre mich somit mit meinem Urteil über die Musik und werde daher alles daran setzen, irgendwann doch mit der ästhetischen Bewertung der Mehrheit überein zu stimmen.
Von daher gilt für mich eher der eigene ästhetische Maßstab! Basierend auf den eigenen Erfahrungen, Bewertungen und Empfindungen. In manchen Bereichen wird man merken, dass man mit dem Urteil der Allgemeinheit übereinstimmt, in anderen Fällen nur mit dem Urteil bestimmter Kritiker bzw. „relevanter Meinungen“ und mitunter bleibt man mit der eigenen Sicht auch nahezu isoliert. Und die eigenen Empfindungen und Bewertungen können sich mitunter auch ändern; man rückt so näher an die allgemeine Bewertung heran oder eben auch von ihr weg. Schön ist ja gerade, dass im Bereich von Literatur, Musik, Film, Kunst, etc. alle Fragen oft viel subjektiver und anders beantwortet werden können, als etwa die, ob man gerade einen 5, 10 oder 20 Euro-Schein in der Hand hält. Dazu würde es dann eher einstimmige und „objektivere“ Feststellungen geben.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Subjektives Gefallen als einziger Qualitätsmaßstab? Glaube nicht, dass die Mehrzahl so simpel urteilt. Es fließen ja durchaus andere Kriterien mit in ein Urteil ein, z.b. Originalität, Ideenreichtum oder technische Versiertheit. Warum soll man Album X eines Interpreten nicht für etwas schwächer (da kompositorisch weniger innovativ oder zeitgeistiger produziert) als Album Y halten und es trotzdem lieber und häufiger auflegen? Und hat nicht jeder seine oft gehörten guilty pleasures, die er trotzdem niemals auf eine Bestenliste packen würde?
Bewertungen sind selbstverständlich höchst kontrovers und veränderlich, wie die Wirkungsgeschichte zeigt. Das gilt selbst für alte oder neue Klassiker (ob Shakespeare, Bach oder Miles Davis), ganz zu schweigen von den wechselnden Konjunkturen der Popmusik. Gleichwohl ist der These zu widersprechen, dass sich ästhetische Bewertungen nicht aus dem Gegenstand festgestellten Eigenschaften herleiten. Ein solcher Zusammenhang ist (wie schon durch LFB dargelegt hat) gar nicht von der Hand zu weisen. Und er wird auch nicht durch den Einwand widerlegt, dass man dann auch über entsprechende Herstellungsregeln eines ´Do-it-yourself´-Programms verfügen müsste. Selbst wenn ein äußerst sensibler und kundiger Dylan-Hermeneut noch feinste Subtilitäten eines solchen Songs aufdecken und in seiner Bewertung berücksichtigen kann, folgt daraus nicht, dass er deshalb imstande sein müsste, selber einen Dylan-Song zu schreiben. Und zwar nicht nur wegen zufälliger faktischer Gründe, sondern aus dem logischen Grund, dass Äußerungen über Kunst, und seien sie noch so subtil, allemal hinter dem prinzipiell durch nichts zu ersetzenden Kunstwerk zurückbleiben.
Die Redeweise von "subjektiven Reaktionen" ist jedenfalls eher geeignet, das Problem zuzudecken, als es aufzuklären. Es gibt z.B. ästhetische Urteile, die auf kontextrelevante Eigenschaften von Kunstwerken Bezug nehmen (etwa auf Originalität im Vergleich zu stereotyper Imitation) und entsprechend auch hinreichend begründet sind. Und obgleich für Begriffe wie "angenehm" und dergleichen gelegentlich auch das Wort "schön" verwendet wird, so ist es doch etwas ganz anderes, wenn im Rahmen einer geübten Kennerschaft bestimmte Formen, etwa von Gefäßen als "zierlich" oder´"plump" qualifiziert werden.
Zitat von LFB im Beitrag #107 Warum soll man Album X eines Interpreten nicht für etwas schwächer (da kompositorisch weniger innovativ oder zeitgeistiger produziert) als Album Y halten und es trotzdem lieber und häufiger auflegen? Und hat nicht jeder seine oft gehörten guilty pleasures, die er trotzdem niemals auf eine Bestenliste packen würde?
Weswegen "Musikalische Tagebücher" (siehe Rolling Stone Forum) zwecks Urteilsfindung Mumpitz sind.
Zitat von LFB im Beitrag #107Subjektives Gefallen als einziger Qualitätsmaßstab?
Ja. Simpel, aber ehrlich. Ein großes Wissen zu haben ändert erst einmal nichts an der Tatsache, dass dem Kritiker das Album schlichtweg subjektiv gefallen muss.
Die Tendenz zur Kanonisierung von Allem finde ich im Übrigen auch ganz furchtbar, wie öde, wenn alle irgendwann den selben Scheiss gehört, gelesen, gesehen, besucht, ausprobiert, gegessen und getrunken etc pp haben.
Just a MF from hell.
Rotation:
Mine - Baum | Vaguess - Thanks // No Thanks | Bachratten - Durch Dich Durch | Die Buben im Pelz - Verwandler
Zitat von burnedcake im Beitrag #110 Die Tendenz zur Kanonisierung von Allem finde ich im Übrigen auch ganz furchtbar, wie öde, wenn alle irgendwann den selben Scheiss gehört, gelesen, gesehen, besucht, ausprobiert, gegessen und getrunken etc pp haben.
Die Kanonisierung war vor Streaming, Download, Spotify, YouTube viel ausgeprägter. Die Entwicklung geht seit langem in die entgegen gesetzte Richtung, der individuellen Schatzsuche nach neuem unbekannten, am besten vor dem Laptop. Wer hört denn heute noch mit Freunden zu Hause Alben oder Singles an? Wer hört sich denn heute noch die selben Radiosender an? Wer sieht denn heute noch Musikfernsehen, über das man sich später noch austauschen könnte?
Zitat von LFB im Beitrag #107Subjektives Gefallen als einziger Qualitätsmaßstab? Glaube nicht, dass die Mehrzahl so simpel urteilt. Es fließen ja durchaus andere Kriterien mit in ein Urteil ein, z.b. Originalität, Ideenreichtum oder technische Versiertheit. Warum soll man Album X eines Interpreten nicht für etwas schwächer (da kompositorisch weniger innovativ oder zeitgeistiger produziert) als Album Y halten und es trotzdem lieber und häufiger auflegen? Und hat nicht jeder seine oft gehörten guilty pleasures, die er trotzdem niemals auf eine Bestenliste packen würde?
Originalität, Ideenreichtum und selbst technische Versiertheit sind auch Bausteine die das Subjektive Gefallen beeinflussen. Ein Musikstück nur dann für toll zu halten, weil es recht kompliziert oder technisch hochklassig gespielt wird, aber ansonsten keine Saite in mir zum schwingen bringt, ist doch nur Show. Ich kann z. B. mit Richard Thompson einfach nichts anfangen, auch wenn der von vielen Musikhörern hochgelobt wird. warum sollte ich den nun in irgendeine Liste packen, wenn er mir nicht gefällt, seine Songs mir nicht zusagen?
Und wie oft ich ein Album oder Stück höre, steht überhaupt nicht in direkter Abhängigkeit zu meiner Wertschätzung. Ich kann brillante Alben einmal im Monat hören, oder einmal im Jahr. Das macht sie weder besser noch schlechter. In einer Entdeckungsphase höre ich ein tolles Album natürlich tendentiell öfter, aber ich hab doch gar keine Zeit meine 200 - 300 Lieblingsplatten ständig regelmäßig aufzulegen. Das wird jeh nach Lust und Laune entschieden.
Zitat von burnedcake im Beitrag #110 Die Tendenz zur Kanonisierung von Allem finde ich im Übrigen auch ganz furchtbar, wie öde, wenn alle irgendwann den selben Scheiss gehört, gelesen, gesehen, besucht, ausprobiert, gegessen und getrunken etc pp haben.
Die Kanonisierung war vor Streaming, Download, Spotify, YouTube viel ausgeprägter. Die Entwicklung geht seit langem in die entgegen gesetzte Richtung, der individuellen Schatzsuche nach neuem unbekannten, am besten vor dem Laptop. Wer hört denn heute noch mit Freunden zu Hause Alben oder Singles an? Wer hört sich denn heute noch die selben Radiosender an? Wer sieht denn heute noch Musikfernsehen, über das man sich später noch austauschen könnte?
Die Frage ist, inwieweit die Kanonisierung des Lebens auch auf Streaming, Downloads etc Auswirkungen hat. Wieviele Leute hören denn empfohlene Playlists, wenn ich mir das Startmenü von Spotify, dass ich mir vor ein paar Tagen zwecks Anhörens der neuen Strokes EP installiert habe, angucke, dann muss ich schon länger schauen, bevor ich etwas abseits irgendwelcher vorgelieferten Vorschläge suchen kann.
Just a MF from hell.
Rotation:
Mine - Baum | Vaguess - Thanks // No Thanks | Bachratten - Durch Dich Durch | Die Buben im Pelz - Verwandler
Irgendwo musst du deine Ideen zur Suche abseits der vorgelieferten Vorschläge aber auch hernehmen. Und nicht jeder hat Zeit oder Lust, sich endlos auf irgendwelchen obskuren Musikblogs und in Foren herumzutreiben, um Dinge abseits des "Kanons" zu finden. Auf irgendjemandes Meinung muss man halt vertrauen, wenn man nicht selbst in Clubs scouten gehen will. Und dann ist manchmal die Masse der beste Indikator dafür, dass sich das Anhören lohnt. Kanonisierung ist ja nicht grundlegend etwas negatives sondern kann im Alltag behilflich sein. Sonst würde Mensch es ja nicht tun. Solange man sich nicht auf die Meinung versteift, dass was nicht in irgendeiner Liste ist, nicht trotzdem gut sein kann, sehe ich damit kein Problem.
Zitat von LFB im Beitrag #107Subjektives Gefallen als einziger Qualitätsmaßstab? Glaube nicht, dass die Mehrzahl so simpel urteilt. Es fließen ja durchaus andere Kriterien mit in ein Urteil ein, z.b. Originalität, Ideenreichtum oder technische Versiertheit. Warum soll man Album X eines Interpreten nicht für etwas schwächer (da kompositorisch weniger innovativ oder zeitgeistiger produziert) als Album Y halten und es trotzdem lieber und häufiger auflegen? Und hat nicht jeder seine oft gehörten guilty pleasures, die er trotzdem niemals auf eine Bestenliste packen würde?
Originalität, Ideenreichtum und selbst technische Versiertheit sind auch Bausteine die das Subjektive Gefallen beeinflussen. Ein Musikstück nur dann für toll zu halten, weil es recht kompliziert oder technisch hochklassig gespielt wird, aber ansonsten keine Saite in mir zum schwingen bringt, ist doch nur Show. Ich kann z. B. mit Richard Thompson einfach nichts anfangen, auch wenn der von vielen Musikhörern hochgelobt wird. warum sollte ich den nun in irgendeine Liste packen, wenn er mir nicht gefällt, seine Songs mir nicht zusagen?
Eben, es sind Bausteine des eigenen Gefallens, aber nicht die einzigen. Ein persönlicher/biografischer Bezug, ein herausragendes Konzerterlebnis oder vergleichbares sind andere. Darum: Wenn wir unsere zehn Lieblingsalben sowie die unserer Meinung nach 10 "besten" Alben aller Zeiten auflisten müssten, wären die Listen bei den meisten vermutlich nicht komplett deckungsgleich (ohne dass man letztere Liste nur aufgrund oben genannter "technischer" Kriterien sowie Einschätzung der historischen Relevanz zusammenstellt, aber man würde vermutlich versuchen, sie etwas stärker zu gewichten als bei einer reinen Lieblingsalben-Liste).
Zitat von LFB im Beitrag #116 Eben, es sind Bausteine des eigenen Gefallens, aber nicht die einzigen. Ein persönlicher/biografischer Bezug, ein herausragendes Konzerterlebnis oder vergleichbares sind andere.
Und noch viel mehr...genau.
Zitat von LFB im Beitrag #116 Darum: Wenn wir unsere zehn Lieblingsalben sowie die unserer Meinung nach 10 "besten" Alben aller Zeiten auflisten müssten, wären die Listen bei den meisten vermutlich nicht komplett deckungsgleich (ohne dass man letztere Liste nur aufgrund oben genannter "technischer" Kriterien sowie Einschätzung der historischen Relevanz zusammenstellt, aber man würde vermutlich versuchen, sie etwas stärker zu gewichten als bei einer reinen Lieblingsalben-Liste).
Bei mir sind die Listen immer deckungsgleich, denn historische Relevanz hat in einer Lieblingsliste (egal ob Musik, Film, Literatur was auch immer) überhaupt keine Bedeutung. Von daher gibt es da für mich keinerlei Unterschiede...meine 10 Lieblingsalben, sind aus meiner Sicht auch die 10 besten Alben. Was denn sonst.
Was meinst du, wie oft ich Gegenwind bekomme, weil ich Star Wars für den besten Film aller Zeiten halte? Beweis mir doch mal das Gegenteil...
Zitat von Krautathaus im Beitrag #117Von daher gibt es da für mich keinerlei Unterschiede...meine 10 Lieblingsalben, sind aus meiner Sicht auch die 10 besten Alben. Was denn sonst.
Deshalb schrieb ich ja, bei den "meisten" wären die Listen vermutlich nicht komplett deckungsgleich. Eine Ursache für Abweichungen wäre bei mir z.B. dass ich ein Album einfach nicht lange genug kenne, um es zu meinen Lieblingsalben zu zählen (das wäre dann z.B. "Bitches Brew", dass ich eben erst seit wenigen Monaten - begeistert - höre) und ich zwar fünf Cure Alben auf die ersten Plätze der Lieblingsalben packen würde, aber nur "17 Seconds" und "The head on the door" in die Bestenliste , da z.B. "Kiss me Kiss me Kiss me" für mich lediglich eine sachte Weiterentwicklung und Ausschmückung von letzterem darstellt, die Formel hatte sich da schon gefunden.
Zitat von Krautathaus im Beitrag #117 Bei mir sind die Listen immer deckungsgleich, denn historische Relevanz hat in einer Lieblingsliste (egal ob Musik, Film, Literatur was auch immer) überhaupt keine Bedeutung.
Eben. Aber in einer "die besten Platten aller Zeiten"-Liste bei den meisten aber vermutlich schon. Das ist ja für mich exakt einer der Unterschiede beider Listenkonzepte.
Ich weiß zum Beispiel, dass "5:55" von Charlotte Gainsbourg und auch "The Bends" von Radiohead nicht die besten Alben der Welt sind und selbst in ihren Jahrgängen objektiv gesehen nicht zu den besten Alben gehörten - aber in meinen Listen der betreffenden Jahre tauchen sie auf, weil sie mir subjektiv eben sehr gut gefallen.
Die letzten Sechs in der Playlist: The Fauns - How Lost || Idles - Tangk || Klez.e - Erregung || The Last Dinner Party - Prelude to Ecstasy || Ducks Ltd. - Harm's Way || Kettcar - Gute Laune ungerecht verteilt
Exmusikpress.de - das Musikforum
Thema drucken
Antworten
29.05.2016 23:47 (zuletzt bearbeitet: 30.05.2016 00:00)
Foren-Chat
5
