Angesichts meiner plötzlich entstandenen Remarque - Verehrung, die mich selbst überrascht hat, weil ich eigentlich dachte, an Einflüssen wäre bereits alles in trockenen Tüchern, habe ich mir mal Gedanken gemacht, welche Autoren mich im Laufe meines bisherigen Lebens eigentlich auf irgendeine Art und Weise beeinflußt haben, sei es inhaltlich oder stilistisch (oder beides). Eigentlich lehne ich das Wort "Einfluß" kategorisch ab; oftmals wird es dazu mißbraucht, eine Art geistige Wahlverwandtschaft herbeizuschwafeln, was ich anmaßend finde. Andererseits kann ich nicht leugnen, daß vieles, was ich gelesen habe in dem, wie ich mich heute ausdrücke oder denke, definitiv seine Spuren hinterlassen hat.
Arno Schmidt und Hans Henny Jahnn haben mir gezeigt, was mit Sprache alles möglich ist. In Jahnns klotzartigem Riesenfragment "Perrudja" wirkt nicht einmal der kleinste Nebensatz zufällig entstanden, auch wenn mich das später gelesene "Die Nacht aus Blei" auf keiner Ebene erreicht hat. Arno Schmidt dagegen hat mich auch wegen seiner Haltung beeindruckt; es mag zwar nicht unbedingt erstrebenswert erscheinen, ein derartiger Misanthrop zu sein, daß man sich in ein komplettes Eremitendasein zurückzieht (was in Verbindung mit abstrusen Interessensgebieten, die er mit manischer Detailversessenheit verfolgt hat, auf gewisse autistische Charakterzüge schließen läßt), aber es ist zumindest konsequent; und Leute, die ihren Ansichten konsequent vertreten, respektiere ich in erster Linie für ihre Haltung, auch wenn sie meinen Ansichten komplett zuwiderlaufen. Zumindest kann ich sie dann als Gegner ernstnehmen. Man muß mit Schmidts Schreibstil klarkommen sowie mit dem Umstand, daß viele seiner Bücher keine nennenswerte Handlung haben; aber die Art und Weise, wie er mit Sprache umgeht, sein Erfindungsreichtum in bezug auf Metaphern und auch seine Kompromißlosigkeit (was und wen er nicht mag, wird in seinen Texten ohne Drumherumfabulieren benannt, was ihm unter anderem in der frühen BRD ein Gerichtsverfahren wegen "Blasphemie" eingebracht hat) hat mich schon immer schwer beeindruckt; auch seine völlig undiplomatische Art, Kritik an Autorenkollegen zu üben.
Diese Kompromißlosigkeit hat mich auch an Eckhard Henscheid immer in einer Art Vorbildfunktion beeinflußt; der sich leider am Abarbeiten an mittlerweile toten Personen (Marcel Reich - Ranicki, Luise Rinser) nicht nur in einer altersstarrsinnig ermüdenden Endlosschleife bewegt, sondern im Alter leider auch ziemlich nach Rechts abgebogen ist und sich zum Hausschriftsteller der "Jungen Freiheit" und latenten Antisemiten dementiell weiterentwickelt hat. Aber für mich war er auch einmal ein leuchtendes Beispiel für Kompromißlosigkeit und das aufrechte Beharren auf seinen Standpunkten, auch wenn es ihm diverse einstweilige Verfügungen eingebracht hat; stilistisch und was seinen bösen Humor angeht, war er - auch sein Werk betreffend - während meiner Adoleszenz zusammen mit Arno Schmidt mein absoluter Lieblingsschriftsteller. Traurig, daß er dermaßen auf den Hund gekommen ist. (Fortsetzung folgt)
Das war jetzt einfach mal ein spontaner Impuls, weil mir der "Buchgeplauder" - Thread dafür nicht ausgereicht hat. Würde mich freuen und dafür interessieren, von anderen Usern auch etwas zu lesen.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
Die Resonanz ist geradezu überwältigend. Mit "beeinflussen" meine ich nicht das Schreiben, sondern AutorInnen (Threadtitel nun auch angepaßt), die irgendeine Spur in eurem Leben hinterlassen haben; den Blick auf gewisse Dinge geprägt haben, die euch motiviert haben, euch mit bisher vernachlässigten Themen zu beschäftigen; die Art und Weise ist völlig offen. Ich pausiere immer noch, bis mal jemand anders was schreibt; allein einen ganzen Thread vollzuschreiben, sieht doch nach hochgradig selbstverliebtem Eiergeschaukel aus.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
Ich habe mich zu wenig mit Literatur beschäftigt, um hier etwas Sinnvolles beitragen zu können. Aber eine Frage ist schon aufgetaucht, nimmt man sich als Autor eigentlich vor, kompromisslos zu sein oder schreibt man wie man ist und andere halten das für kompromisslos? Woher weißt du denn, dass die einen konsequent sind und andere wiederum nicht?
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
Wenn ich „Diese AutorInnen haben mich nachhaltig beeinflusst“ für mich etwas in Richtung „Diese AutorInnen haben mich phasenweise sehr beeindruckt“ abmildere, dann würde ich für die Jugend sicher Karl May mit seinen Phantasiewelten nennen müssen. Und später dann Hermann Hesse. Während ich Georg Wilhelm Friedrich Hegel wirklich nie abkonnte und zeitlebens vermieden habe, hat das Gesamtwerk von Friedrich Nietzsche durchaus auch sehr auf mich gewirkt. Einfluss oder Eindruck ist bei anderen AutorInnen viel weniger gegeben, da ist es dann doch eher schlicht ein „AutorInnen, die mir gefallen“.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Ich sehe das ja ähnlich. Mich haben eher einzelne Bücher beeinflusst. Autoren, bei denen es mehrere Bücher sind, waren zum Beispiel, Mark Twain, Karl May, Franz Kafka, Albert Camus. Aber auch Agatha Christie oder (noch mehr) Dorothy L. Sayers. Arthur Conan Doyle. Patrick Süskind finde ich beeindruckend. Aber ich kann auch Goethe und Schiller oder Lessing was abgewinnen. Und wer hat nicht in seiner frühen Erwachsenenzeit George Orwell gelesen?
Jetzt sind mir ja doch ein paar eingefallen.
Edit: Peinlicherweise vergessen: Fjodor Dostojewski, Douglas Adams oder Nick Hornby. Und tiefe Liebe für Fernando Pessoa.
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
Zitat von Johnny Ryall im Beitrag #4Aber eine Frage ist schon aufgetaucht, nimmt man sich als Autor eigentlich vor, kompromisslos zu sein oder schreibt man wie man ist und andere halten das für kompromisslos? Woher weißt du denn, dass die einen konsequent sind und andere wiederum nicht?
Schwer zu sagen; ich habe einfach immer das geschrieben, was ich dachte, schreiben zu müssen, und nichts abgemildert oder gestrichen. Wenn andere das für kompromißlos halten, umso besser. Was andere angeht: ich habe Eckhard Henscheid immer dafür bewundert, daß er sich jahrelang geweigert hat, Literaturpreise anzunehmen; leider ist er im Alter dann doch eingeknickt, wie bei vielen anderen Sachen auch. Arno Schmidts Einsiedelei habe ich bereits erwähnt; und Louis - Ferdinand Céline war zwar ein ausgemachtes Riesenarschloch, ist seinen Weg aber ebenso konsequent bis zum Ende gegangen und beschloß sein Leben als Geächteter. Genauso wie Remarque (wenn auch als Antagonist), der auch nach dem Krieg nicht müde wurde, der jungen BRD immer wieder die Nase in den eigenen Scheißhaufen zu stoßen, und dafür mit Sicherheit von nicht wenigen Leuten bis zu seinem Tod gehaßt wurde. "Konsequent" kann vieles sein; für mich ist es in erster Linie, daß man nach den Grundsätzen lebt, die man propagiert. Ich weiß nicht, inwieweit ich das tue; aber ich hinterfrage mich ständig selbst und arbeite an mir bzw. daran.
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mein elternhaus war immer voll mit morgenstern, ringelnatz, eugen roth und kurt schwitters (mit "anna blume" hat mein vater meine mutter rumgekriegt). später kam auch noch robert gernhardt dazu. mein hang zu komischen reimen war damit ebenso vorprogrammiert wie der zu skurrilen bis dadaistischen wortschöpfungen. in der prosa ebenso einflussreich und prägend waren für mich zahlreiche kinderbuchautoren: janosch, tove jansson, paul maar und nicht zuletzt åke holmberg mit seinen tiegelmann-geschichten. noch als (etwas größeres) kind las ich viel kishon - auch wenn ich ihn im nachhinein eher trutschig und harmlos finde, hat er mir damals doch die tür zur kleinen satirisch-anekdotischen form geöffnet, und den boden für spätere einflüsse wie u.a. den großmeister max goldt bereitet.
Zitat von tenno im Beitrag #9noch als (etwas größeres) kind las ich viel kishon
Dito. Auch wenn mich seine erzkonservative Einstellung in vielen Dingen (nicht Israel betreffend) später aufregte, finde ich einzelne seiner Sachen heute noch ganz unterhaltsam.
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Ich dachte immer Sprache muss ganz beeindruckend sein ... bis ich Oskar Maria Grafs Unruhe um einen Friedfertigen gelesen habe. Da erzählt ganz simple Sprache ein absolut beeindruckendes Buch.
Apropos Sprache: Ich war von Vladimir Nabokovs Gebrauch der englischen Sprache sehr beeindruckt, vor allem als ich ‚Pale Fire‘ (Fahles Feuer) von ihm las. An den Inhalt kann ich mich komischerweise kaum erinnern, aber sein Gebrauch der englischen Sprache hatte mich irgendwie nicht los gelassen und deswegen fand ich das Buch zu der Zeit großartig.
uh, da gibt's nun wirklich einige (nabokov gehört dazu). aber ich fange doch einfach mal mit der top 3 an.
astrid lindgren - immer schon mehr als ende und auch ein bisschen mehr als preussler. astrid lindgren hat mich zum träumen gebracht, mir freund*innen beschert, die mich durch meine ganze kindheit begleitet haben und mir die furcht vor dem tod genommen.
erich kästner - noch einmal kinderbücher, aber eben nicht nur. kästner gelingt die ganz grosse kunst, für kinder zu schreiben und gleichzeitig auch für erwachsene. fabian könnte ich immer wieder lesen und auch seine harmlosen schwänke (die verschwundene miniatur, der kleine grenzverkehr, drei männer im schnee,...) haben mehr tiefgang als ganz viel anderes.
markus werner - wenn es jemanden gibt, von dem ich mir jedes geschriebene wort tätowieren lassen würde, dann markus werner. sieben kompakte bücher, sieben mal kompakter weltekel in schönster, klarster, feinsinnigster sprache. das ist ein gesamtwerk, in dem jeder satz sitzt und nachhallt. selten habe ich mich so verstanden gefühlt.
astrid lindgren - immer schon mehr als ende und auch ein bisschen mehr als preussler. astrid lindgren hat mich zum träumen gebracht, mir freund*innen beschert, die mich durch meine ganze kindheit begleitet haben und mir die furcht vor dem tod genommen.
Ui, da schließe ich mich auch an. Vor allem die Bullerbübücher habe ich immer und immer wieder gelesen. Ich hatte die alten Ausgaben, die meine Mutter als Kind bekommen hat. Aber meine Familie hat sie in ihrem Wegwerfwahn weggeschmissen. Wie kann man nur?? Ich hab3 ein Buch in so einer komischen englischen Version, aber das ist nicht das gleiche.
Apropos Wegwerfwahn: Meine ganzen Mathenotizen und -hefte sind auch mal vor einer Matheklausur weggeschmissen worden, aber das ist eine andere Geschichte.. :D
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Diese AutorInnen haben mich nachhaltig beeinflußt
26.03.2021 13:23 (zuletzt bearbeitet: 28.03.2021 23:53)
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