The Walkmen – You & Me (2008)





Eine längere Expertise über mein Leben so far verkürze ich mit der Feststellung, dass ganz und gar alles überhaupt nicht auszuhalten wäre ohne Musik. Sie ist mir Inspiration und Trost, Arschtritt und Streicheleinheit, Droge und Entgiftung, ein ständiger Wegbegleiter in allen Lebenslagen.

Einige von diesen Wegbegleitern, zu denen ich getanzt, geliebt, gelacht, geflucht, gearbeitet, geheult, gefaulenzt, gewickelt oder gepfiffen habe, könnt Ihr auch in der Liste unten nachlesen. Einer meiner liebsten im letzten Jahrzehnt war ohne Zweifel „You & Me“ von The Walkmen.

Die Band, inoffiziell Nachfolger der später als wegweisend geltenden Jonathan Fire*Eater, hatte gemessen an z.B. Nirvana, The Rolling Stones oder The Flaming Lips eigentlich wenig Anteil an meiner musikalischen Identitätsfindung, obwohl sie mit „The Rat“ vielleicht den besten Rocksong der Nuller Jahre veröffentlicht hatten. „You & Me“ kam 2008 daher recht unerwartet ins Haus, wie ein alter Freund, den man lange nicht gesehen hat; dem man nur in die Augen schauen muss, und all die gemeinsamen Erlebnisse sind sofort wieder präsent, wie schockgetaut.

Dem Album gelingt noch beim zweihundertsten Durchlauf das Kunststück, mir mit seinem vielschichtigen, dezent räudig-verschepperten Sound eine warme Decke, die natürlich auch ein bischen kratzt, über die Schultern zu legen, sich aber gleichzeitig auch irrsinnig lebendig, fiebrig und anstachelnd anzuhören; ein Sammelsurium verblichener Erinnerungen, eine tongewordene Miniatur einer Freundschaft durch dick und dünn. Dazu der über das Leben, die Orte, das Lieben und das Vermissen croonender, krächzender, krähender Hamilton Leithauser und einige der unfassbar großartigsten Songmomente überhaupt. Unverzichtbar.




Weitere 9


The Gun Club – Miami (1982)

Dunkel dragiertes Schmelzerzeugnis aus Punk, Country und Blues. Zwischen dem strahlendem Opener „Carry home“, der das Rennen um den Titel „schönste Ballade, die gar keine ist“ machen dürfte - und dem unpeinlich tränenziehenden „Mother of Earth“ reiht sich eine Großtat an die nächste. Grandios.


American Death Ray – Welcome To The Strange And Erotic World Of... (2001)

Die späteren „Viva L'American Death Ray Music“ rund um Nicholas Ray und Harlan T. Bobo mit einem fantastisch groovenden Debüt, direkt und unfiltriert gezimmert aus Memphis' Best Rock & Roll, R&B, Soul, Orgel & Sax und auf nichts anderes als Arschwackeln ausgelegt. Unfassbar cool.


Yeah Yeah Yeahs – Fever To Tell (2003)

Ungezügelte Indie-Punk-Songs über Sex und Liebeskummer, ein völlig klischeeloser, rauher und reduzierter Sound, ein Rausch aus getriebenem, experimentellen Punkrock und Balladen für die Ewigkeit plus die überirdische Dinge mit ihrer Stimme anstellende Karen O (und damit sind keine Arien gemeint), i love it!


The Flaming Lips – Clouds Taste Metallic (1995)

Ab da ging's ab für die wundersame Kindegeburtstag-auf-Acid-Band: die spinnerten Ideen der früheren Jahre, vereint mit dem von diesem Album an steten Händchen für ausgefeiltes und vertracktes Songwriting, Ohrwürmer galore und der exakt richtigen Dosis Punkrock.


Yo La Tengo - And Then Nothing Turned Itself Inside-Out (2000)

Noch so eine Indie-Institution, hier mit ihrem wahrscheinlich geschlossensten, in sich gekehrtestem Album, das seine Sogwirkung irgendwo zwischen sinister-hypnotischen Mitternachtssongs, seltenen Popmomenten und noch seltenerem Krach entfaltet. Für die Nacht gemacht, melancholisch, aber nicht hoffnungslos.


I Am Kloot – Natural History (2001)

Der verkaterte Morgen nach einer desperaten, herrlichen Nacht: die Kaffeemaschine läuft in etwa so unrund wie Bramwells Gesang und die wie in sich selbst hineingestolpert wirkenden Songs. Alles äußerst unrasiert, charmant und ungezwungen scheinbar, bis man die Melodien nicht mehr aus dem Kopf bekommt.


The Strokes – Is This It (2001)

Mit diesem Album im Ohr durfte ich ein hoffungslos junger, fröhlicher, melancholischer, arroganter, dummer, voller Tatendrang sprühender und an allen inklusive mir selbst verzweifelnder Mensch sein. Hat mir viele tolle Momente beschert und mich letztlich endgültig auf Gitarren angefixt.


Caroline Rose – Loner (2018)

Der beste Pop dieses Jahres: zynisches, feministisches Sammelsurium aus Pop, Soul, Punk, Country und Surf mit gesellschaftsentblößenden Texten und schier unbegrenztem Hit-Potenzial, das viel zu wenige erkannt haben. Wo lungert eigentlich der Mainstream herum, wenn man ihn mal braucht?


Pisse – Kohlrübenwinter #1 + #2 (2016)

Eine Doppel-EP deutscher Punk mit Orgel und Theremin, kompromisslos, sarkastisch und schlau in die wohlig- eingefurzte, hübsch individualisierte eigene Komfortzone agitierend, in der jede*r dauernd wer weiß was anstellt, ohne daß sich in dieser Scheißwelt dadurch nennenswert etwas verbessert.

Das dürfte für mich eher schwierig werden, aber allemal interessant. Erstaunlicherweise ist auch etwas aus 2018 dabei, habe ich gleich mal reingehört - ziemlich charmant, die Göre.
Pisse sind wohl die älteren Brüder von Schnipo Schranke, plus der Onkel der sonst bei Keine Zähne im Maul spielt. Würde ich mir nicht jeden Tag anhören, hat aber was.

fühle dich für miami und das yo la tengo-album geherzt. pisse hab ich mal im vorprogramm zu den sleaford mods gesehen. großartiger dada-punk. da muss ich auch mal reinhören. caroline rose ist mir noch zu frisch für so eine liste, aber für meine jahrescharts ist sie gesetzt.

Zitat von burnedcake im Beitrag #1

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Eine längere Expertise über mein Leben so far verkürze ich mit der Feststellung, dass ganz und gar alles überhaupt nicht auszuhalten wäre ohne Musik. Sie ist mir Inspiration und Trost, Arschtritt und Streicheleinheit, Droge und Entgiftung, ein ständiger Wegleiter in allen Lebenslagen.

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hier freu ich mich schon ganz besonders aufs entdecken. mit den walkmen hab ich schon mal angefangen; bislang war die ratte mit ein bisschen umfeld das einzige, das ich von ihnen kannte (sensationell nevertheless!).

Yeah, bei sieben Übereinstimmungen mit meinem Plattenregal verbleiben mir hier noch drei Alben zum Testhören:
American Death Ray, Pisse und eben The Walkmen ...

gerade noch mal the rat auf youtube reingezogen, und dabei auf folgenden beseelten kommentar gestoßen:

Zitat

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This morning I thought I'd play 'Bows & Arrows' in the car on the way to work. Track 2 (this) came on & I smiled, then laughed, then crashed the car. As I was dying, my last thought was: "That's quite possibly the best rock song since the Modern Lovers' Roadrunner." The more I think about it - in my dead state, of course - the more I agree with myself. 

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Witzig...nach all den Jahren meines "offs", überraschen mich einige deiner Favoriten nicht.

Bzw., dass meine Einschätzung - verbunden mit der Erinnerung an deine musikalische Standortbestimmung seinerzeit - teilweise noch passt. Guter Geschmack, der Herr

Bei genauerem Hinsehen ... jetzt verstehe ich das mit dem "angebrannt"!

Zitat von gnathonemus im Beitrag #3

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fühle dich für miami und das yo la tengo-album geherzt.

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Pisse klingen witzig, werde ich mal reinhören.
Strokes und Yeah Yeah Yeahs fanden immer in der Peripherie meines engen musikalischen Horizonts statt, aber natürlich bekannt :)

Zitat von MrMister7 im Beitrag #4

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Zitat von burnedcake im Beitrag #1

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Eine längere Expertise über mein Leben so far verkürze ich mit der Feststellung, dass ganz und gar alles überhaupt nicht auszuhalten wäre ohne Musik. Sie ist mir Inspiration und Trost, Arschtritt und Streicheleinheit, Droge und Entgiftung, ein ständiger Wegleiter in allen Lebenslagen.

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Aus der "Clouds Taste Metallic":