der gute mann hat tatsächlich noch keinen eigenen thread! und mir will scheinen, dass ich derjenige bin, der sich berufen fühlen sollte. nun hab ich auch zum ersten mal seit langem wieder ein bisschen zeit für nutzlose dinge - also denn!
fangen wir ganz vorne an: der blasse blonde archäologenspross thomas robertson sieht seine zukunft nicht im elfenbeinturm seiner akademischen eltern, sondern im punk-london der späten siebziger. auch wenn er optisch wie intellektuell eher das gegenteil verkörpert, passt er als autodidaktischer pianist und elektronikfriemler irgendwie doch dazu. zunächst schlägt er sich als soundmann in londoner in-locations durch (und lernt dabei zahlreiche berühmtheiten in spe kennen), während er sich stück für stück sein ungewöhnliches und wegweisendes synth-equipment zusammenspart (darunter das allererste PPG-system, damals noch völllig unbekannt). unter anderem mischt er auch einen frühen auftritt von tom robinson, und vereinbart mit diesem angesichts der namensähnlichkeit, dass derjenige, der von beiden den ersten hit hat, seinen namen behält, während der andere sich einen künstlernamen zulegen muss. kurz darauf chartet robinsons "1-2-3-4 motorway", und unser thomas wählt seinen spitznamen aus der elektronik-AG seiner oberschule.
schließlich lernt er bruce woolley kennen, bester kumpel des ebenfalls noch völlig unbekannten trevor horn, und tritt seiner band camera club bei. etliche songs auf dem - erfolglosen - debütalbum sind von woolley mit horn gemeinsam geschrieben worden, und in anderen versionen auch auf dem buggles-album zu finden. "video killed the radio star" stinkt gegen die version der buggles deutlich ab, aber es gibt dafür eine in meinen augen mindestens ebenbürtige fassung von "clean clean", auf der sich der typische stil von dolby schon manifestiert:
auf der USA-tour trifft dolby auf lene lovich, er verlässt den camera club und wird teil ihrer tourband. außerdem schreibt er für sie einen song, der sogar chartet, und darf auch im video mitspielen:
auch sonst ist er nicht faul, und bosselt ein paar grooves für ein windschiefes label namens zomba zusammen. einer davon wird zum hit:
die stattlichen tantiemen erlauben ihm, verstärkt seinen plan einer solokarriere weiterzuverfolgen. er mietet sich einen billigen raum in einem halbverfallenen gewerbegebiet, und arbeitet dort an seinen eigenen songs. laut eigener aussage trägt die dortige atmosphäre dazu bei, sein beim camera club in grundzügen entworfenes tech-kid-image zu seiner späteren "mad-professor"-steampunk-identität zuzuspitzen. der blick aus dem fenster auf schneebedeckte, stacheldrahtbewehrte alte bahnanlagen zwischen backsteinmauern inspiriert ihn zudem zu den cold-war-szenarien auf seinem debütalbum. ein weiterer alter bekannter - andy partridge von XTC - verhilft ihm zu seinem ersten vertrag, und produziert die erste single, die aber sang- und klanglos untergeht:
zwischenzeitlich beginnt sein name in musikerkreisen als keyboard-whiz-geheimtipp zu kursieren, und eines tages lässt ihn robert "mutt" lange zu ein paar overdubs am neuen foreigner-album in new york einfliegen. dolby darf sich eine ganze nacht lang mit allen möglichen gerätschaften austoben, und probiert verrückte dinge aus, von denen einige am ende auch auf der platte landen. gut zu hören ist er auf "urgent", und vor allem im intro von "waiting for a girl like you" (bei dem er bandmaschine und mischpult zu einem "instrument" kombiniert):
nach einigen bösen erfahrungen mit management und plattenfirma (die wohl jeder musiker mindestens einmal machen muss) landet dolby einen vertrag bei parlophone. zunächst erscheint "europa and the pirate twins" und verfehlt nur knapp die charts:
das debütalbum "the golden age of wireless" chartet in GB, bleibt aber im rest der welt unbeachtet, trotz großartiger singles wie zB "airwaves", und nicht minder großartiger albumtracks wie "flying north":
dann erscheint eine EP mit ein paar songs aus dem album, angeführt von einem neuen song, der insbesondere in den USA einschlägt wie eine bombe, aber dolby bei den weniger interessierten hörern auch für lange zeit das image eines novelty-acts einbringt: she blinded me with science (bei dessen video dolby auch zum ersten mal selbst regie führt):
angesichts des enormen erfolges wird das album re-released, diesmal mit der hitsingle als opener und neuem tracklisting.
dolby geht auf GB- und US-tour, wird von michael jackson zur zusammenarbeit eingeladen (es kommt aber am ende nicht dazu), und macht sich bald darauf an das nächste album, "the flat earth". nicht minder meisterwerk als das debüt, bleibt es jedoch hinter den erwartungen zurück, obwohl man mit "hyperactive" sogar ein thematisches wie musikalisches follow-up zu "science" in der tasche hat.
ansonsten ist die stimmung auf dem album allerdings noch atmosphärisch-melancholischer als auf dem vorgänger; "organischer" käme mir als adjektiv auch noch in den sinn:
bei der darauffolgenden erneuten US-tour erfährt sein leben eine wichtige wendung, davon demnächst.
"The Flat Earth" habe ich auch, sollte ich mal wieder auflegen. "She Blinded Me With Science" liebe ich schon seit meiner Kindheit. Ansonsten ein schöner Thread für Neuentdeckungen.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
Zitat von tenno im Beitrag #1der gute mann hat tatsächlich noch keinen eigenen thread! und mir will scheinen, dass ich derjenige bin, der sich berufen fühlen sollte.
gut so, werde interessiert mitlesen.
And you may ask yourself, "Well, how did I get here?"
sorry, ich hänge gerade ein bisschen fest, weil ich noch mal wegen ein paar zeitlicher zusammenhänge in die autobiographie geschmult und dabei bemerkt habe, dass mir noch eine ganze reihe anderer bemerkenswerter kollaborationen durchgerutscht ist. aber ich bin dran!
nur kurz schon mal diese joni-mitchell-coverversion, die als single seines one-off-projekts low noise (mit seinem ewigen sidekick matthew seligman) noch vor seinem soloalbum veröffentlicht wurde und natürlich komplett unbeachtet blieb. zu joni kommen wir demnächst noch mal ausführlicher.
war mir übrigens auch neu, selbst beim ersten lesen des buches hab ich es irgendwie verpasst.
Zitat von tenno im Beitrag #6selbst beim ersten lesen des buches hab ich es irgendwie verpasst.
Interessanterweise ist das Buch mehr eines über sein Unternehmertum in der allerersten IT-Hype-Zeit (der Mann ist verantwortlich für das Konzept des Handy-Klingeltons), als über Musik. Musik kommt aber auch ausreichend vor.
die tour ist ein verlustgeschäft, und "the flat earth" verkauft sich auch nicht gut. also wendet sich thomas erst mal anderen projekten zu. er produziert prefab sprout:
er spielt auf den grammy awards mit herbie hancock, stevie wonder und howard jones:
ein traum erfüllt sich - er darf seine alte heldin joni mitchell produzieren! das läuft aber leider nicht so glatt wie erhofft, es gibt viel unschönes gerangel im studio, und am ende kommt auch kein meisterwerk zustande. "dog eat dog" ist ein eher missratenes kind in mitchells katalog. hier noch einer der besseren songs:
dann bittet ihn david bowie, mit ihm die band für seinen live-aid-auftritt zusammenzustellen. das läuft wesentlich besser:
er schreibt die filmmusik für den epischen flop "howard the duck", die produzenten kicken ihn aber, und lassen nur seine songs drin:
zum trost gibt es eine freundschaftlich-bescheuerte kollaboration mit george clinton:
und schließlich doch sein erster richtiger filmscore, zu ken russells "gothic":
nach einem gerichtlichen vergleich mit dolby labs inc reist thomas nach LA, um den kopf freizukriegen und ein bisschen am neuen prefab sprout-album herumzubosseln. dort trifft ihn dann amors flammenpfeil in form von kathleen beller, bekannt aus dynasty bzw denver clan, was einen grundlegenden wohnsitzwechsel nach sich zieht. fortan ist das gemeinsame haus in den hollywood hills die neue homebase. und da eine neue liebe wie ein neues leben ist (j.marcus), wird ein neues album in angriff genommen, diesmal mit amerikanischem approach. "aliens ate my buick" (mit sweet kathleen auf dem cover) ist meines erachtens deutlich besser als sein ruf, und kann qualitativ mit seinen ersten beiden alben mithalten. es ist eben nur ziemlich was anderes - fort ist der extravagante synthpop britischer prägung, und die funkiness von "science" wird plötzlich von einer echten band getragen. die musiker sind heiß und durchgeknallt, george clinton trägt sogar einen eigenen song bei, und insgesamt scheinen alle sehr viel spaß gehabt zu haben.
alleine der opener ist schon gold wert:
als funky chicken rennt das hier natürlich alle offenen türen bei mir ein:
die verträumt-atmosphärische versponnenheit der vorgängeralben schimmert höchstens noch bei "budapest by blimp" durch:
leider sehen das nicht alle so wie ich - obwohl die songs ordentlich airplay kriegen (und "airhead" sogar noch ein bisschen chartet), mögen ihm viele alte fans nicht in die neuen gefilde folgen. das album teilt das schicksal des vorgängers, und bleibt hinter den erwartungen zurück.
mitten in den aufnahmen zum neuen album entlässt EMI ihn aus dem vertrag. die frau ist schwanger, er sitzt auf halbfertigen aufnahmen (und den kosten); da kommt eine anfrage von roger waters. die jüngst gefallene berliner mauer bekommt ihren gigantomanischen abgesang, und dolby spielt den fiesen lehrer.
die arbeit am album geht weiter, und irgendwann steigt virgin records ein. dolby hat währenddessen einen haufen illustrer musiker abgeklappert und zu beiträgen überredet: u.a. jerry garcia und bob weir, eddi reader, ofra haza, budgie und seinen nachbarn eddie van halen sowie ein paar völlig unbekannte cajun-musiker aus louisiana:
das album hat ein paar sehr schöne momente...
... aber es verkauft sich noch schlechter als der vorgänger. sicherlich ist es nicht gerade hilfreich, dass richard branson kurz vor der geplanten veröffentlichung virgin records an - ausgerechnet - EMI verhökert, wo man sich nicht sonderlich viel mühe bei der promotion macht. allerdings leidet das album in meinen ohren ohnehin unter einer gewissen ziellosigkeit, all die gaststars tragen eher zu überproduktion und zerfransung bei, und dolbys unverwechselbarer stil geht ein wenig im versuch unter, alle möglichen mainstream-trends mitzunehmen. unglücklicherweise hat der meister dabei den bestimmenden trend der stunde nicht auf dem schirm, und gegen nirvana & co klingt vieles auf der scheibe plötzlich ziemlich altbacken. ob es mit mehr promo besser gelaufen wäre?
jedenfalls vergeht dem frischgebackenen familienvater allmählich die lust am musicbiz. er gründet die firma headspace, die bald darauf in beatnik umbenannt wird und eine technologie entwickelt, die die übertragung von musik über das damals noch schmerzhaft langsame internet sowie den austausch von klingeltönen auf mobiltelefonen möglich macht (der vertrag mit nokia bringt den durchbruch). zuvor liefert er aber noch einen etwas nerdig-verquasten beitrag zu einer computeranimierten filmreihe namens the mind's eye, die zeitgenössisch topaktuell auf laserdisc erscheint. zu the gate to the mind's eye bedient er sich der stimmkünste der singenden astrophysikerin dr. fiona terenzi:
dann taucht er erst mal für lange, lange zeit in der internetblasenwelt der computernerd-startups ab.
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29.07.2023 13:52 (zuletzt bearbeitet: 29.07.2023 17:26)
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und verfehlt nur knapp die charts: 
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