Mit dem königlichen Horrorkabinett kann ich nicht mithalten, wer könnte das, aber tu mal mein bestes:
Vor knapp zwei Jahren haben meine Eltern ihre Plattensammlung aufgelöst, ich durfte mir nehmen, was ich zu schade für die Mülltonne hielt. Ich bin noch nicht durch mit dem anhören. Aktuell stieß ich auf folgendes:
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Trio Reis mit Orchester Gerard van Bezey - S’ Träumli/Waldfrieden (7", Columbia C 21 570, 1960)
Volkstümlicher Schlager: Ein Genre, das in meiner Kinderstube glücklicherweise überhaupt keine Rolle spielte. Auch unter den Platten meiner Eltern gab es sonst nie etwas in dieser Richtung, sondern Dixie, Swing, Klassik, Kabarett und echte Volksmusik. Ich kann es mir nur so erklären, dass mein Vater beim Auszug aus dem Elternhaus versehentlich eine Platte seiner älteren Schwester mitnahm, der ich sowas eher zutraue.
Wie der Titel nahelegt, gibt es einen Bezug zur Schweiz, der Text ist aber hochdeutsch. Auf dem Label ist "Artone Rec." vermerkt. Artone war ein niederländisches Label. Die Internetrecherche ergab, dass der korrekte Name der Band Trio Rijs lautet, ein niederländisches Vokaltrio, zwei Schwestern und ein Bruder (Gerrie, Joke und Theo Rijs), das 1958/59 drei Singles auf niederländisch (mehrere [oder gar alle?] davon Coverversionen von deutschsprachigen Liedern) bei Philips veröffentlichte, 1960 zwei deutschsprachige auf Artone (diese hier war die letzte, Artone DR 25.063), danach wohl in der Versenkung verschwand. Einen Wikipedia-Eintrag hat die Band nicht, die Discogs-Seite ist unvollständig und teilweise falsch: So wird dort als Komponist der B-Seite "Waldfrieden" Favilla genannt, der ein anderes, vom 1928 Tanz-Orchester Dajos Béla aufgenommenes gleichnamiges Lied geschrieben hatte. Dieses "Waldfrieden" hier wurde von von Roschek/Dieter geschrieben, einem jahrzehntelang im Schlagerbereich vielbeschäftigten deutschen Textdichter/-Komponistin-Paar. Es könnte sich um eine Originalaufnahme handeln, jedenfalls lässt sich im Internet keine andere Aufnahme finden (auch bei "Waldfrieden" vom Original Oberkrainer Quintett scheint es sich um ein anderes Lied zu handeln, Autor davon ist Slavko Avsenik). Ca. 1966 tauchte sie, erneut unter dem falschen/eingedeutschten Interpretennamen "Trio Reis" noch mal auf der Compilation "Weiße Birken - Hohe Tannen" des EMI-Electrola-Sublabels "Die Volksplatte" auf.
Artone veröffentlichte auch ansonsten einige deutschsprachige Aufnahmen von niederländischen Bands für den niederländischen Markt. Wer hätte gedacht, dass die deutsche Sprache dort 15 Jahre nach Kriegsende so beliebt war?
Vom "Träumli" gibt es, soweit ersichtlich, kein Audio oder Video der Version des Trio Rijs im Internet. Das Original ist von der Kapelle Bossbuebe aus Grindelwald und hört sich so an:
Christian Boss hatte es schon 1948 geschrieben, zum Hit wurde es 1960. Außerhalb der Schweiz wurde das Original wohl nicht veröffentlicht, aber in Deutschland und Österreich gab es zahlreiche zeitnahe Coverversionen (hochdeutscher Text von Joachim Relin).
Eine Ahnung davon, wie die seichte Version des Trio Rijs klingt, kann ein anderer, auf Youtube vorhandener, Track von ihnen geben:
Fragen über Fragen: Warum machte eine niederländische Band alpenländische volkstümliche Schlager für den niederländischen Markt? Warum lizenzierte ein deutsches Majorlabel das für Deutschland? Warum sollte das jemand in München kaufen? Warum verbringe ich tagelang mit Internetrecherche zu Musik, die mir überhaupt nichts gibt?
Ähnlicher Fall:
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Waltraut Schulz u. Herbert Roth – Sonne und Schnee/Ja, der Skilehrer (7", Amiga 4 40 029, ca. 1961)
Aus Suhl, aber auch nicht viel anders. Nicht aus Familienbeständen, sondern ich habe sie selbst (gebraucht) gekauft, weil ich das Firmen-Lochcover so schick fand. Benutze ich noch heute gerne als Profilbild, auch hier manchmal.
Ein trashiges Cover habe ich doch noch zu bieten, ist aber eigentlich auch wieder eine Themaverfehlung, weil die Musik nicht unhörbar ist:
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Various – I Remember Munich: German Beer Garden Music (LP, Fiesta FLP 1304, 1961)
Die Platte ist aus den USA, das Coverfoto bestimmt auch dort aufgenommen. Solche Bierkrüge kenne ich allenfalls aus
Tschechien und keine Ahnung, woher die Stadtansicht auf dem Foto hinter der Dame ist, aus München sicher nicht. Musik ist aber tatsächlich authentisch (von der Obermenzinger Blasmusik, Horst Frei, den Felsenwandlern, Heinz Steiner und den Fidelen Inntalern. OK, München liegt nicht wirklich im Inntal).
Zitat von Anorak Twin im Beitrag #21Artone veröffentlichte auch ansonsten einige deutschsprachige Aufnahmen von niederländischen Bands für den niederländischen Markt. Wer hätte gedacht, dass die deutsche Sprache dort 15 Jahre nach Kriegsende so beliebt war?
Das hier waren auch Niederländer:
Ich glaube nicht, daß die deutsche Sprache "beliebt" war; ich denke, man hat einfach aus der Not eine Tugend gemacht und den Absatzmarkt erweitert, wenn man eh schon deutsch konnte.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
nö, finde ich nicht. in den niederlanden wirst du zwar höflichst behandelt, aber irgendwie hat man immer das gefühl, doch verachtet zu werden. ist zumindest mein subjektiver eindruck. ich kann mich auch täuschen oder bei meinen 2 1/2 besuchen einfach nur pech gehabt haben.
Ich glaube, du hast eher Pech gehabt. Ein Freund von mir ist ein ziemlicher Reisefan, der hat als Deutscher auch schon in Griechenland und Kroatien üble Erfahrungen gemacht. Arschlöcher gibt es überall. Ich kann das zwar bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, aber ab dann ist auch wirklich mal gut.
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Btw: auf Korsika bemühe ich mich auch, mich nicht zu erkennen zu geben, wenn ich auf Deutsche treffe. Ich hab da schon unfaßbare Honks erlebt, mit denen ich nichts zu tun haben wollte.
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Same here: Wir sind ja recht häufig in NL unterwegs, zumal wir 20 Min. von der Grenze entfernt sind. Witzigerweise kaufen wir dort gern ein (und hier in Ostfriesland kaufen die Niederländer bevorzugt ein). Allerdings bin ich nicht sonderlich gesprächig in dortigen Geschäften, weil ich nicht unbedingt als Deutsche erkannt werden möchte. Zuviele unserer Landsleute bringen mich durch ihr dämliches Verhalten zum Fremdschämen. Mein Mann spricht fließend Holländisch, er hat einige Jahre in Groningen gelebt. Dadurch ist alles herrlich entspannt. Ich grüße, danke und verabschiede mich auf Holländisch, bin ansonsten eher leise.
Mir ist übrigens noch nie ein unfreundliches Verhalten den Deutschen gegenüber aufgefallen. Mag auch in Grenznähe und aufgrund wirtschaftlicher Symbiosen eher nicht vorherrschen. Wobei wir die Niederländer:innen eh als super entspannt, offen und freundlich empfinden.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #25nö, finde ich nicht. in den niederlanden wirst du zwar höflichst behandelt, aber irgendwie hat man immer das gefühl, doch verachtet zu werden. ist zumindest mein subjektiver eindruck. ich kann mich auch täuschen oder bei meinen 2 1/2 besuchen einfach nur pech gehabt haben.
Ich erinnere mich an die 80er und 90er Jahre, da war auch oder gerade in Urlaubsregionen die Pampigkeit und Rüpelhaftigkeit gegenüber uns Deutschen schon deutlich zu spüren, das ging bis hin zu offenen Anfeindungen und dem Abdrängen (auch von uns Kindern) von Radwegen. Heute ist das in der Tat viel entspannter aber auch subtiler, z.B. fällt mir auf, dass man fast grundsätzlich auf englisch antwortet, wenn wir Deutschen (höflich!) auf deutsch etwas fragen, aber auf deutsch, wenn wir Deutschen auf englisch etwas fragen. In meinem beruflichen Umfeld ist der Dauerbrenner aller Niederländer, immer so zu tun, als könnten sie kein Deutsch, in der Hoffnung, ein bisschen mehr Infos von uns abzugreifen. Sage ich aber immer vorweg, dass ich den Trick schon kenne, dann ist auch direkt das Eis gebrochen. Ich glaube, dass die Niederlande heutzutage so international ausgerichtet sind, dass wir nicht mehr als der eine große, bedrohliche Nachbar wahrgenommen werden, sondern nur noch als ein europäisches Land unter vielen. Dazu kommt, dass aufgrund der Immobilienpreise viele Niederländer im Deutschland leben, dadurch hat sich das Verhältnis sicherlich auch entspannt.
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15.05.2021 00:37 (zuletzt bearbeitet: 15.05.2021 00:39)
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