Kleiner Fun-Fact: Der Titel-Track "Foe", welcher eine Neubearbeitung des Tracks "Friend" darstellt, wurde co-produziert und arrangiert von Andy Gill (Gang Of Four).

Laut der visions Rezi (Link siehe oben) gab es eine Aufnahmesession mit Andy Gill in London, die aber "desaströs" endete. Scheint mir deshalb sogar wahrscheinlicher, dass es eine frühere Version von "Friend" ist, die diesen Sessions entstammt.

Okay, die Rezi hab ich grad mal nachgeholt. Hätte gern mehr über die gescheiterten Versuche erfahren. Ansonsten stimme ich mit dem geschilderten Eindruck vom Album so gut wie gar nicht überein. Zum einen finde ich "Bliss Please" nicht so toll, dass ich gerade dieses Album als Referenz anführen würde (im Vergleich zum Vorgänger fand es soger eher enttäuschend, aber da war es auch schwer, noch einen drauf zu setzen), zum anderen finde ich "Friend Or Foe?" einfach besser.

Über die Jahre war es auch immer spannend die Fortschritte mitzuerleben, also vor allem live. Die Leistungen von Drummer Mario Mathias haben sich enorm gesteigert. Ab der Tour zu "Friend Or Foe?" in etwa, konnte er deutlich lockerer über Klick (Metronom) spielen als vorher. Auch Aydo hatte seine stimmlichen Möglichkeiten erweitert. Eine große Stimme war ihm nie gegeben, sie klingt nur eben sehr angenehm und hat grossen Einfluss auf den klanglichen Charakter der Band gehabt. Live ist es allerdings schwierig, ohne viel Stimmvolumen gegen eine Gitarrenwand anzusingen.

Ich sehe da nichts übersteuertes, den schwarzen Peter Loudness War, der auch diskutabel ist, würde ich dem Songwriting zuschustern. Ist ja eine kreative Entscheidung, wie ich einen Song gestalte, ob durchgängig voll auf die 12 oder Laut/Leise. Loudness War hingegen verstärkt selbst die sanft gezupfte Harfe bis sie genauso laut im Mix ist wie der elektrische Dudelsack.

Der Unterschied in der Produktion wird vielleicht deutlicher, wenn man bei zwei Passagen die "voll auf die 12 gehen" reinzoomt, die Ausschnitte zeigen jeweils 5 Sekunden, einmal von "Science Fiction" und einmal von der "Foe EP":

"Londerla" (1998)

"Foe" (2003)

Vielleicht hat ja jemand das Remaster von "Science Fiction"? Dann könnte man die identische Passage von "Londerla" vergleichen.

Wobei man fairerweise sagen muss, dass es schon deutlich schlimmere Loudness War Produktionen gibt ("4:13 Dream" von Cure, die Hölle) als die mittlere Phase von Blackmail, deshalb will ich das Thema mal nicht zu hoch hängen. Ist mir eben nur aufgefallen.

Um an dieser Stelle einen Loudness War - Cliffhanger zu vermeiden geht es weiter mit...


Kammerflimmern (Original Motion Picture Soundtrack) (Colloseum Records 2004)
Alleine dafür hat sich der Thread für mich schon gelohnt (und für die Alben von Dazerdoreal auch, doch dazu später mehr), denn die Veröffentlichung hatte ich damals zwar am Rande mitbekommen und wollte da eigentlich auch mal reinhören, aber erst jetzt hat es dann doch mal zu Neuerwerb (für sehr wenig Geld) gereicht. Sicherlich kein "richtiges" Blackmail Album, auch wenn es in den meisten Discographien chronologisch aufgeführt wird, aber als günstiger Wühltischfund lohnt es sich auch heute noch. Das fängt beim interessanten Konzept (Zwei Interpreten/Bands - Blackmail sowie Lee Buddah - steuern jeweils etwa die Hälfte der Songs und Instrumentalstücke bei und arbeiten bei einem zentralen Lied zusammen) an, geht über den Umstand, dass dieser Lee Buddah ganz okaye Musik zwischen Folkpop und typischem Filmscore beisteuert (die man ehrlicherweise aber nicht wirklich braucht), vor allem aber in Zusammenarbeit mit Aydo Abay mit dem Song "Ring the bells, I'm coming out" sogar den hörenswertesten Song des Soundtracks geschaffen hat. Dazu kommen dann (überwiegend exklusive) Blackmail-Tracks im Umfang einer EP.

Die Blackmail/Aydo Abay Beiträge im Einzelnen:

Blackmail - Dull (Remix)
Die von Wirehead komplett entschleunigte Version von "Dull" war zuvor bereits auf dem Remix Album "Do Robots Dream of Electric Sheep?" erhältlich, dort aber der gelungenste Track. Ergo: Soundtrack kaufen, das Geld fürs zigmal teurere Remix-Album sparen.

Blackmail - High Roller
Eher düsterer Song, der schon den Stil von "Aerial View" vorausnimmt und dort zu den stärkeren Stücken gehört hätte.
Video:

Hab mir „Bliss Please“ gerade nochmal angehört, zum ersten Mal nach zig Jahren. Ist besser gealtert als ich vermutet hatte. Mit der Anlage, die ich heute habe verträgt sich das Album auch besser als mit der, die ich in meiner ersten Studentenbude hatte. Mehr als damals schätze ich heute die sehr edlen Synth-Sounds auf diesem Album. Vielleicht haben Blackmail ihre Alben zu vollgepackt. Hätten sie die gleichen Tracks auf mehr Alben aufgeteilt, wären viele einzelne Tracks vielleicht besser zur Geltung gekommen.

Richtig. Doch selbst wenn sie mehr und dafür kürzere Alben aufgenommen hätten, die Gesamtzahl an veröffentlichten und noch dazu fast durchweg guten Songs (finde ich) ist schon beeindruckend: Alleine als Blackmail zwischen 1997 und 2008 waren es ~120 Songs, dazu in etwa noch mal so viele (auf 10 Alben) bei den drei wichtigsten Nebenprojekten. Außergewöhnliche Produktivität, vor allem weil die Songs ja wirklich ins Detail arrangiert und ausgearbeitet wurden.
Als Hörer fällt es schon schwer, diesen Output zu überblicken und im Detail angemessen zu würdigen.

Aerial View (City Slang, 2006) *****
Produziert von: Andi Jung, Kurt Ebelhäuser

Selten trifft die gerne bemühte Feststellung einer Reduktion aufs Wesentliche so zu, wie bei "Aerial View": 40 Minuten typische Blackmail-Songs: Fokussiert, zielstrebig, melodieselig und doch clever, detailverliebt und einfallsreich: Die perfektionierte Kunst, das komplexe und anspruchsvolle einfach und leicht wirken zu lassen. Hier ein Kosakenchor ("Moonpigs", "Away with the ferries"), dort ein Posaunen-Break ("Couldn't care less"), kurz vor Ende noch das schönste Gitarrensolo, das jemals an den Sound einer Luftschutzsirene angelehnt wurde ("Soulblind") und man hat jedes Mal das Gefühl, als wäre es das normalste der Welt. Hach, Blackmail, du vielleicht größte aller deutschen Indiebands.

SPON Review

Plattentests Review

Laut.de Review

Tracklist:

Tempo Tempo (Universal, 2008) ****
Produziert von: Kurt Ebelhäuser

Das letzte Album mit Aydo Abay empfanden ja viele (inklusive mir) damals als Enttäuschung. Sicher nicht ganz zu unrecht, denn im Vergleich zu den Vorgängern fehlen die ganz großen Songmomente und vor allem die zwingenden neuen Einfälle, alles auf "Tempo Tempo" hat man von Blackmail so oder ganz ähnlich schon einmal gehört, zumeist sogar auf dem direkten Vorgänger. Entsprechend wurde das Album damals von den meisten Kritiken als Übergangswerk empfunden, denn neue Einfälle mussten dringend her, von daher machte die anschließende Trennung in künstlerischer Hinsicht vielleicht sogar Sinn.
Im heutigen Wissen darum, dass es letztlich ein (ungeplantes) Abschiedsalbum war, kann man sich dann doch noch sentimental an diesen letzten typischen Blackmail Songs eines insgesamt trotzdem gelungenen Albums erfreuen. Die beiden Bonustracks (darunter seltsamerweise der Titeltrack) der Deluxe Edition lohnen sich auf jeden Fall auch.

Plattentests Review

Laut.de Review

Visions Review

OX Fanzine Review

Tracklist:

Da ich die beiden letzten Blackmail Alben ohne Aydo Abay (noch) nicht habe, mache ich mal hiermit weiter:


Ken - Have a nice day (WEA Records, 2002) ****
Produzent: Guido Lucas

Den Sinn, warum Aydo Abay mit Mitstreitern aus dem Blackmail Umfeld (Guido Lucas (Bass) und Michael Fritsche (Schlagzeug) spielten auch bei Scumbucket, Kurt Ebelhäuser hat zusätzlich noch an einigen Stücken des Albums mitgewirkt) eine Zweitband gründete, die dann auch noch ganz ähnlich wie Blackmail klang, hatte ich bisher nie so ganz verstanden und entsprechend fristete das Debüt "Have a nice day" eher ein Staubfänger-Dasein in meinem Regal. Miit dem Abstand von einigen Jahren macht das aber durchaus Sinn, denn ohne den mit dem Namen Blackmail verbundenen Erwartungsdruck (der ja auf der Entstehungsgeschichte aller Blackmail Alben lastete) konnten Ken unkompliziert und geradlinig losrocken, sich eine aufwändige Produktion sparen, 60ies Anleihen sowie windschiefe Orgeln und Mariachi-Gitarren einbauen und ein krudes Instrumental ("1/2 BB") in der Mitte des Albums platzieren. Als hemdsärmeliger Garage Rock Schwager zum kurz zuvor erschienenden "Bliss Please" macht mir das Album inzwischen viel Spaß.
p.s.: Falls jemand weiß, was sich hinter dem 17-minütigen "Afga" von der zugehörigen Promo EP zu "Whirlpool of Fire" verbirgt und ob sich deshalb der Kauf lohnt, wäre ich an zweckdienlichen Hinweisen oder wilden Spekulationen interessiert.

Laut.de Review

Tracklist:

Weiter geht's direkt mit einem zeitgleich veröffentlichten Doppelpack aus einem Album mit Eigenkompositionen und einem mit Coversongs (Weezer lassen grüßen), der sich sogar eine gemeinsame Single (das Sugababes Cover "Stronger") teilte:


Ken - Stop! Look! Sing Songs of Revolution (Strange Ways Records, 2005) ****
Produzent: Guido Lucas

Auch wenn bei Ken die kompositorische Genialität von Kurt Ebelhäuser fehlt, ist auch das zweite Album keine Enttäuschung, wobei der stilistische Ansatz ein ganz anderer ist als beim Debüt und auch bei den zeitgenössischen Blackmail Alben: Die Gitarren rücken über weite Strecken in den Hintergrund und gesellen sich unauffällig zur Rhytmusgruppe, die Produktion ist aufgeräumt und poppig, die Melodien eingängig. Eine typische 2005er Gitarrenpop-Platte also, auf der Höhe aller damaligen Trends (gut, den dezenten Autotune-Einsatz bei "Wake City" hätte man sich sparen können), eigentlich seltsam, dass das Album nicht mindestens Platte des Monates im damals ja sehr trendaffinen ME war (oder war sie?) und im alten Forum abgefeiert wurde (wurde sie? Zumindest ich habe dann dabei gefehlt).

Tracklist:

1 Stronger (Single Edit) 3:34 (von "I am thief")
2 If 3:42 (von "Stop! Look!...)
3 Kentree 3:23 (B-Seite)
4 I Ran 4:07 (von "I am thief")

Ken - Yes We Ken (Strange Ways Records, 2010) *****
Nur zwei Jahre nach dem Ausstieg von Aydo Abay bei Blackmail war es auch vorbei mit Ken. Umso erfreulicher, dass deren finales Album "Yes We Ken" kaum schwermütig oder wütend klingt, sondern der alberne Albumtitel, nicht weniger kindische Songtitel und das fröhliche Artwork Programm waren: "Please believe that I don't have a glimpse of grief in me" heißt es im Semi-Hit "Get a life" und man glaubt das sofort, so hitverdächtig und eingängig klingt der Song. Trotzdem gut, dass der Rest des Albums weniger kommerziell daherkommt und stattdessen melancholischen Indierock ("Reminder D"), originellen Post-Punk und Wave Rock, Krautrock-Anwandlungen und sogar ein Wiegenlied mit Spieluhr ("Pirates vs. Ninjas ...") bietet. Mir hat das Album damals (in einer wichtigen Lebensphase) viel Spaß gemacht und daran hat sich bis heute nichts geändert. Als Bonus gibt es eine Bonus-CD mit noch weiter elektrifizierten Remixen aller Tracks des Albums, Zweimal Ken mit Covern ("Brothers in arms" zusammen mit Von Spar und "Hate is just a 4 letter word" im Original von Shock Therapy), einmal Ken gecovered (Johannes Stankowski mit einer countryfizierten Version von "Wake City") sowie ein Solosong eines Bandmitglieds (Georg Brenner - Taklamakan). Das ist dann eine überraschend harmonische Zusammenstellung, aber eher kurzweilig als wirklich gut, nur Monotones Some Pop Remix von "Pirates vs. Ninjas..." mit the Orb Synthies und Bass funktioniert als hintersinniger Sommerhit hervorragend und übertrifft für mich das Original.

Dazerdoreal

Ob sie nun ihrer Zeit voraus waren oder im Schatten von Blackmail standen, dieses elektronische Bandprojekt von Aydo Abay zusammen mit Blackmail Drummer Mario Matthias sowie Michael Elzer (aka Wirehead) und Gitarrist Jörg Stotz geriet inzwischen wohl weitgehend in Vergessenheit, ich hatte es zu meiner Schande schon damals überhaupt nicht mitbekommen. Auch wenn im Rückblick Parallelen zu Radiohead gezogen werden, fühle ich mich musikalisch eher an UNKLE (vor allem Psyence Fiction) erinnert, nur eben durchgängig mit Aydo Abay am Mikrofon. An den etwas beatlastigeren Tracks hat der Zahn der Zeit etwas genagt, die ruhigeren funktionieren für mich aus heutiger Sicht noch immer prima. Insgesamt zwei unheilvoll daherfließende Alben mit einigen starken Kompositionen. Die überwiegend instrumentale Remix-CD, denen der Zweitling überhaupt seine Veröffentlichung verdankt, ist eher nur eine nette Beigabe.

Discographie:


Pornshop on Elmstreet (Single, 1999)
Tracklist:

Am Samstag ABAY im Musik & Frieden gesehen. Der Laden war propevoll und die Stimmung dementsprechend gut, was sich auch auf die Band übertrug. Überhaupt, diese Band. Auf den ersten Blick sehen die vier wie ein wahllos zusammengewürfelter Haufen aus, bevor sie sich als perfekt eingespieltes Team entpuppen. Zu hören gab es - eingerahmt von 2 Coversongs (Placebo! Massive Attack!) einen schönen Querschnitt aus den beiden Alben zu hören. Manche einem Song, der auf Platte eher unscheinbar daherkommt, wurde mit einfachen Mitteln ungeheuer Druck verpasst. Wir waren jedenfalls restlos begeistert. Auch wenn es am Ende kein Scooter Medley gab.