frauen sind allerdings auch erst im zuge der grunge- und riot-grrls-bewegung in diesem maße als handelnde und kreative akteure hervorgetreten (auch wenn sich das im punk schon angedeutet hatte). die von jack genannten waren zu ihrer zeit in den 60ern und 70ern solitäre erscheinungen (und wohl auch deshalb so einflussreich) - die meisten frauen in der popmusik waren damals sängerinnen, die nur in seltenen fällen auch selbst songs schreiben durften. gitarristinnen gab es schon weniger, und die meisten davon bitte mit wanderklampfe - e-gitarren in frauenhand waren ein extrem rarer anblick. ansonsten sah man noch hier und da eine anmutige flötistin oder geigerin zwischen den tonangebenden kerlen herumhüpfen.
eine kommilitonin spielte ende der 80er trompete in einer lesbisch-feministischen funkband - das war tatsächlich das absolut erste mal, dass ich eine frau hinterm schlagzeug sah. mittlerweile gibts das schon deutlich öfter, und den spruch "na ja, sieht halt hübsch aus, da muss sie ja nicht so gut spielen können" hab ich auch schon länger nicht mehr gehört. aber ich fürchte, das, was beth da schreibt, ist nach wie vor häufiger der fall, als ich es sehen will.

"In diesem Maße" mag stimmen, aber man sollte nicht den Einfluß der weiblichen Musikerinnen, Komponisten oder auch Produzenten seit den 50ern unterschätzen. Estelle Axton war immerhin 50% Stax und gerade im klassichen Soul der 60s waren Frauen sehr prominent verteten. Peggy Lee hat einen sehr großen Anteil am Erfolg von Capitol L.A., den ersten Millionenseller mit "Manana" und hat unglaublich viel produziert. Nina Simone's Einfluß kann man nicht hoch genug einschätzen, Carole King's Songwriting, später Joini Mitchell, Patti Smith, Siouxsie and the Banshees, und mit den Runaways und auch The Pretenders ging das für mich persönlich im rockigeren Bereich los.

Man sollte so manche Entwicklung der letzten Jahrzehnte auch nicht überbewerten. Musikerinnen beklagen (immer noch), dass sie über ihr Körpergewicht, Outfit und die Sexualität definiert würden.

Viele bedauern auch, dass heute erwartet würde, Lieder quasi gratis im Netz zu stellen. Dabei würde es eben auch Geld kosten, Musik zu produzieren und zu veröffentlichen. Geld, das eben oft fehlt. Denn die Musikerinnen unter 30 Jahre verdienen in Deutschland jährlich im Schnitt knapp 9000 Euro. In allen Altersgruppen sind es durchschnittlich 9.834 Euro. Also monatlich nur rund 820 Euro. (Statistik der deutschen Künstlersozialkasse 2010)

Interessant mag sein, dass Frauen bei Musik-Festivals bzw. im Genre Rockmusik in der Minderheit sind. Dass aber im vollen Kontrast dazu Frauen bzw. Sängerinnen das Radio dominieren: man hört im Radio eben mehrheitlich weiblichen Gesang. Scheinbar gibt es da eine Auftrennung: die wilde, eher rebellische Rocklivemusik für ihn, die sanften schlagerpophaften Studiosongs für sie…

Der Anteil weiblicher Interpreten in den deutschen Top 100 Singlecharts (ab 2000) beträgt übrigens nur 26 %. In der Zeit zwischen 2001 und 2015 wurden 11 Prozent aller Songs von Frauen geschrieben. Im Jahr 2015 wurden sogar 43 Songs aus den Top100 Singlecharts mit der Beteiligung von Frauen geschrieben – allerdings gab es dabei eben immer noch zusätzliche männliche Urheber.

Dazu Natascha Augustin (Musikverlag Warner Chappell): "großartige Komponisten oder Autoren haben wir bei den Frauen verschwindend gering bis gar nicht."

Es gibt also noch viel zu tun... seit 2006 ist der (geringere) Anteil von Musikerinnen in den Charts übrigens eher wieder gesunken...

Das klingt furchtbar deprimierend. Jetzt würden mich doch die Gründe interessieren. Ist es wirklich so, dass Frauen zum Beispiel an härterer Musik nicht so großes Interesse haben wie Männer? (Was doch aber bedeuten würde, dass es in "sanften" Genres eigentlich einen "Frauenüberschuss" oder zumindest ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis geben müsste.) Haben Frauen vielleicht allgemein nicht so großes Interesse, Musikerin zu sein? Oder ist es tatsächlich eher so, wie beth es erfahren hat und es wird Frauen aktiv erschwert, professionell Musik zu machen?

Ich denke, man sollte sich da vor allem nicht von den vielen Sängerinnen blenden lassen. Sie sind eben zumeist Interpretinnen und haben mit Text und Komposition der Songs nichts zu tun. Und in der Konsequenz verdienen sie auch nicht an den entsprechenden Tantiemen mit.

Es gibt ja auch für das Studium die Popakademie in Baden-Württemberg – hier studieren aber auch deutlich mehr Männer (rund 75 %) als Frauen.
Und es gab dort wohl bislang - zu meinem Erstaunen - noch keine Gitarristin oder Keyboarderin.

Was es für Frauen braucht, ist sicherlich schon eine andere Erziehung. Gerade im künstlerischen Bereich sollten sich da Mädchen früher austoben können – eben nicht nur Blöckflöte, Klavier und Violine lernen, sondern auch in Schülerbands als Musikerinnen (Bass, Gitarre, Drums, Synth, etc.) mitwirken können. Bedingung dafür dürfte sein, auch mit den entsprechenden Instrumenten als Kind herumspielen zu können. Da sind wir dann schnell wieder beim Thema, dass es für Mädels zwar der Kaufladen oder das Puppenhaus sein darf, die Jungs aber Baukästen und Technikspielzeug erhalten…

Ähnlich wie in der Riot-Girl-Bewegung müsste man Mädchen dazu ermutigen, sich an diversen Instrumenten auszuprobieren, auf die sie gerade Lust haben – egal ob Xylophon, Bass oder Drumcomputer. Hierzu könnten auch Rockcamps sinnvoll sein oder Musikprojekte an einer Schule.

Als Anekdote im Rande seien die Violent Blondes genannt, die bei einem Label anfragten, wieso dort nur eine einzige Künstlerin einen Vertrag hätte. Aufgrund der Antwort beschlossen die Violent Blondes dann, ein eignes Label zu gründen. Die Antwort des Label-Mitarbeiters: Frauen könnten ja nicht so gut touren, wenn sie ihre Periode haben…

Zitat von akri im Beitrag #35

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Da sind wir dann schnell wieder beim Thema, dass es für Mädels zwar der Kaufladen oder das Puppenhaus sein darf, die Jungs aber Baukästen und Technikspielzeug erhalten…

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Im Zündfunk Generator gab es vor einiger Zeit eine Sendung zum Thema "Pop – ein Boys Club", gestern dann ein Video auf der Zündfunk-Facebook-Seite zum Festival-Thema. Das Video ist gar nicht so spektakulär, der Kommentarbereich aber echt beeindruckend: "femifotzen", "Emanzengehabe", "Irrer Tittensozialismus"...

Sehr interessantes Thema.

Ich war selbst vor kurzem ueberrascht, dass ca 70% der Musik, die ich via lastfm scrobble, von maennlichen Kuenstlern bzw. Bands und Komponisten ist. Ich neige dazu, Rock bzw Indie und Theatermusik zu hoeren, war aber trotzdem ueberrascht und habe dann bewusst 1-2 Tage mehr 'weibliche' Musik gehoert.

Ist es egal, wenn jemand nur maennliche oder weibliche Musik bevorzugt? Individuell gesehen klar. Man soll hoeren, was man gerne hoert.

Um mal kurz abzuschweifen: Ich arbeite an einer englischen Uni in der Fakultaet der Ingenieurwissenschaften. Da wimmelt es also nur so von Maennern! :) Und, wie viele Unis, versuchen wir, die Frauenquote zu erhoehen. Athena Swan und so, falls das jemandem etwas sagt. Ist nicht direkt mein Job, aber ich benutze halt auch das bisschen Einfluss. das ich habe, damit Frauen mehr involviert und nicht staendig uebersehen oder uebergangen werden (wenn auch meistens unabsichtlich: wenn fast nur Maenner da sind, waehlt man halt Maenner).

Hier darf man Frauen beim Vorstellungsgespraech nicht direkt bevorzugen. Allerdings sehe ich das aehnlich wie beth. Ich bin gegen das Bevorzugen jeglichen Geschlechts. Aber ich sehe ein, dass es leider notwendig ist, wenn sich etwas aendern soll.

Dank Athena Swan hatten wir hier schon mehrere intereessante Vortraege ueber das Problem. Es geht um Wissenschaft, aber die Gruende sind die gleichen wie bei der Musik, denke ich.
Es gibt keine genetischen Gruende, warum Maedchen bzw Frauen weniger gute Wissenschaftler oder Musiker sein sollten. Trotzdem wird dies oft angenommen bzw durch die niedrigen Quoten perzeptuell bestaetigt.

Ein anderer Vortrag hat uns gezeigt, dass die meisten Initiativen um Frauen zu ermutigen und zu foerdern kaum einen Effekt haben. Fast nichts hilft (in England).

Gruende:
- Der schon angesprochene Druck, ein 'richtiges Maedchen' zu sein von klein an (ich merke das bei meiner 4-jaehrigen Tochter :( )
- Die Bestaetigung von einer Generation zur naechsten: durch Schulen, Eltern, Kaufhaeuser, Werbung usw
- Wieder Schulen: Die Tatsache, dass Maedchen in der Schule oft von 'harten' Wissenschaften abgeraten wird, trotz guter Noten. Und dass die fruehen weiblichen Vorbilder meist genauso sind, wie es die Gesellschaft erwartet: ob jetzt Klavier spielend oder gut im Malen. aber nicht so gut mit Zahlen (nur ein Beispiel)

Das einzige, was helfe, sei ein dauerhaftes, erreichbares Vorbild.
Sprich im Musikbereich: Wenn Kate Bush oder PJ Harvey einmal zu Besuch kommen und alle erstaunen und wieder abzischen, bringt das nichts. Schlimmstenfalls stellen sie sogar eine unerreichbare, abschreckende Hoehe des Erfolgs dar.
Eine Hardrockerin aus der gleichen Stadt, die oefters vorbeischaut und menschlich ist, hat da schon bessere Chancen.

So, das reicht wohl erstmal. Aber ich hab noch mehr. ;)

mein eindruck ist halt, dass booker wegen ihrer hauptsächlich männlichen klientel und deren vorliebe für hauptsächlich männlich besetzten bands genau die buchen. und da gehört angesetzt. gerade im indie/folk/singer-songwriter-bereich ist die präsenz inzwischen nahezu 1:1 und das gehört auch bei festival line-ups reflektiert. dass bei metal- oder electronic-festivals nicht unbedingt die quote erfüllt werden kann, halte ich nicht für so dramatisch. da ist die betiligung von frauen (gefühlt) immer noch geringer - ich hoffe allerdings, das ändert sich in der zukunft (zumindest im electronic-bereich, metal ist mir egal).

Wenn ich mir aber so den Hardcore Punk anschaue, würde ich sagen, dass bei den Gigs, die ich im vergangenen Jahr besuchte, ca. 2/3 des Publikums männlich und 1/3 des Publikums weiblich waren. Das Geschlechterverhältnis bei den Bands, die ich mir angeschaut habe, war hingegen eher 90% vs. 10% zu Gunsten der Männer.
Da kann man sich schon fragen, wie das sein kann, wenn sich doch offensichtlich eine beachtliche Anzahl an Frauen für diese Musik interessiert.

Ich glaube einfach, dass die Schwelle für Frauen in Form von - beispielsweise - Versagensängsten größer ist, weil man momentan eine solch seltene Erscheinung auf der Bühne wäre, dass man recht exponiert ist. Andererseits glaube ich, dass viele Frauen das Gefühl haben, dass wenn sie schon Musik machen, sie sich ein "weiblicheres", sprich sanfteres Genre suchen - z.B. Indie Pop o.Ä.

Da muss ich übrigens an das Outro vom Song "Bad Boy" von Edgar Wasser denken (den jungen Mann, den wir beim Forentreffen aus Versehen live gesehen haben). In dem Song geht es um die Rolle von Frauen im Hip-Hop und im Outro wird ein Schnipsel aus einem Interview zwischen Juse Ju und Sookee eingespielt. Da heißt es:

Zitat

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„Es gibt ja einfach wenige Frauen, die rappen. Warum?“ — [?]
„Ich glaube das liegt daran, dass wir in einer Gesellschaft leben, die Frauen einredet, dass sie keine Wut haben dürfen. Und für Rap braucht man schon 'n bisschen Wut.“ — Sookee

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Ich finde, das trifft den Nagel auf den Kopf. Der Song ist übrigens auch klasse, weil er sich sehr konkret mit Vorurteilen gegenüber Frauen im Rap auseinandersetzt - leider ja auch noch eine große Baustelle. Musikalisch wird er hier sicherlich nicht allen gefallen, aber die Art wie sich Edgar Wasser in die Vorurteile seiner Kollegen eindenkt und diese Annahmen dann ad absurdum führt, finde ich spannend.

Gestern wieder eine neue Methode kennen gelernt, wie man Frauen von Bühnen fern hält: Es war Karaokeabend mit live Band. Zur Wahl standen 15 Songs. Kein einziger von einer Frau. Also entweder hätten wir Frauen, die gerne hätten singen wollen, uns entweder erstmal drei Stimmlagen tiefer trinken oder uns sonst irgendwie durch die Songs durchwurschteln müssen.
Schlussendlich waren also auch an diesem Abend ausschließlich Männer auf der Bühne.