Das ist ja ungefähr das, was ich meinte, und was ich in meiner eigenen Zeit auch so erlebt habe. MAn könnte sagen, die Clubkultur stirbt. Bis ca 2008 war der Laden, in dem ich gearbeitet habe, regelmäßig supervoll. Ab da gab es einen schleichenden Prozess, nach und nach blieben die Leute weg, obwohl in den letzten 5 Jahren 2 weitere Clubs mit jahrzehntealter Tradition dichtgemacht haben. Es gab schon immer eine große Fluktuation mit den Semesterwechseln, irgendwann war aber spürbar, dass die Neuankömmlinge immer weniger mit a) einer Clubkultur b) Musik abseits der Alternative/Indie/80s/whatever-Top 100 anfangen konnten. Kamen vorher hin und wieder ein paar höflich-scheue Menschlein zum DJ, um sich etwas zu wünschen, und oft waren da auch spezielle Sachen dabei, oder kamen einfach, um zu fragen, was da gerade läuft, kamen 2016 täglich regelmäßig Partypeople und zückten ihre Smartphones, auf denen ja geile Musik drauf sei. Um sich dem ganzen anzupassen, wurden hirnlose Parties eingeführt, diese haben die Stammgäste verprellt, und auch nicht für Kundenbindung gesorgt, denn wenn diese Stadt eines hat, dann sind es tausend hirnlose Partyreihen, so dass der Laden irgendwann ohne Publikum da stand.
"Cocooning" kann ich auch aus eigener Erfahrung bestätigen: die Leute kamen, wenn sie nicht gleich daheim blieben (Sonntags und Dienstags wurde der Laden irgendwann einfach zugemacht), einfach immer später, und waren dann oft bereits bis oben abgefüllt. Wenn ich 2006 um 22.30 Uhr noch keine Leute auf der Tanzfläche hatte, habe ich mir Sorgen gemacht. 2014 war klar, dass "vor eins" sowieso nichts los ist. Tatsächlich kamen die meisten Leute ab 00.00 Uhr. Vorher ausgiebig vorglühen, dann gibt man auch nicht so viel Geld im Club aus, dort um ein Uhr Nachts anrücken, rotzevoll den DJ anpöbeln, gepflegt in die Toilette reihern und um 3 mit der Crew wieder abrücken. Klingt nach Spaß, für einen Club, der um 21.00 Uhr öffnet wird das halt irgendwann blöd. Einzelfall? Nope. Genauso ging es zwei weiteren Clubs. Schaue ich nach Stuttgart, Heidelberg, Mannheim, dann finden sich da Kulturzentren, Konzertstätten, nette Kneipen und tausend Mainstreamdissen und was weiß ich noch alles, aber den individuellen, nerdigen, seltsamen, tollen "Club", als Treffpunkt der Hochsubkultur (:mrgreen:), den findest du hier eben weit und breit nicht mehr. Konzerte fangen das noch einigermaßen ab, denn da kommen Interessierte zusammen.

Klar, die Wellen kommen und gehen. In Berlin gab es ja vor Jahren auch schon mal ein Clubsterben, da sind die ganzen Technoclubs eingegangen. War halt nicht mehr das neue heiße Ding. Oder ein paar neue Clubs waren angesagter. Baurecht und Nachbarn und Mieten taten ihr eigenes dazu.

Dass es die Indie-Clubs nach und nach trifft, wundert mich dann auch nicht so. Da bleibt wohl tatsächlich der Nachwuchs aus. Gibt es eigentlich noch neue Jugendsubkulturen, in denen Musik eine bestimmende Rolle spielt?

Ja, Youtuber. ;-)

Zitat von faxefaxe im Beitrag #33

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Ja, Youtuber. ;-)

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Also ich kenne die Story :)

Das ist ja auch alles eine im Grunde wertungsfreie Beobachtung, die mich eben nicht verwundert, da die Jugendsubkulturen eben aussterben. Das geht dann mit Influencern weiter und hört mit entscheidungsscheuen jungen Menschen, die sich in permanenten Dauerstress bewegen, weil sie ja nichts verpassen wollen etc pp blabla noch lange nicht auf.

Als ich z.B. 18 war, fanden die Parties fast ausschließlich in Privatwohnungen statt und ich ging so gut wie nie in Musikclubs oder Kneipen und kannte auch niemanden der das tat. Und Clubsterben gab es auch schon damals. In München war es halt schon immer krass, weil das schon seit Ewigkeiten in erster Linie eine Stadt zum Geldverdienen ist. Wenn ein Flughafen oder eine Fabrik dichtgemacht hat, gab es vielleicht zwei Jahre Zwischennutzung, nach drei Jahren war das Areal mit Büros und Wohnungen zugebaut. Darum beneideten wir z.B. Berlin ja immer, noch in den 00er-Jahren, für die Industriebrachen etc., auf denen jahrelang Kultur stattfinden konnte. Irgendwann verlagerten dann Deutsche Bank und Konsorten die Investment-Banking-Abteilungen und was weiß ich welcher widerliche Medienkonzern welche widerliche Abteilung nach Berlin und das verträgt sich halt nicht mit Kultur. In London ging das noch eine zeitlang gut, gleichzeitig Wirtschafts- und Kulturmetropole zu sein, aber das ist auch vorbei.

Die Provinz ist eh ein anderes Thema, da kämpften schon immer Einzelkämpfer einen kräftezehrenden Kampf, was selten jemand länger als ein Jahrzehnt durchhielt. Wann machte gleich noch mal der Alte Bahnhof Hof oder die Post Ampermoching oder der Circus Gammelsdorf dicht? Und auch heutzutage machen in Viechtach neue Musikclubs auf.
Und, um wieder auf meine heimatliche Boomtown zurückzukommen: Selbst hier hält sich seit ein parr Jahren das Milla, ein cooler Liveclub inmitten eines mega-gentrifizierten Wohngebietes.

Um es zusammenzufassen: Ich möchte das Problem nicht kleinreden und natürlich sind Mietpreis- und Anwohnerbeschwerden-Exzess scheiße, aber auch die guten alten Zeiten waren nicht immer goldig und wahrscheinlich müssen wir einfach damit leben, dass Rockmusik dort steht, wo Jazz vor ein paar Jahrzehnten stand: Von der Jugendkultur zu einem Randgruppenhobby verkommen.
In 30 Jahren werden die Senioren das Sterben der Streamingportale beklagen.

edit: jetzt mit eckiger Klammer richtigrum.

Für die bayrischen Forumsmitglieder, auf nach Viechtach.