Ich bin jemand, der in Zeitungen und Zeitschriften gerne auch die Leserbriefe durchliest. Die sind manchmal interessant, manchmal amüsant, manchmal bleibt mir aber auch das Lachen im Hals stecken. Bei einem Medium wie dem Musikexpress ist die Konsequenz vielleicht nur befremdetes Erstaunen, wenn sich Befürworter und Gegner des Genderns abwechselnd verächtlich machen, in Regional- und Lokalzeitungen ist das aber anders.

Als Beispiel möchte ich meine Heimatzeitung anführen, das Oberbayerische Volksblatt (eine Regionalausgabe des Münchener Merkur). Da gibt es in jeder Samstagsausgabe eine Doppelseite mit Leserbriefen zu den Themen, die die Leser in der vorangegangenen Woche bewegt haben. Und die vertreten zum Teil Ansichten, die einem klar denkenden Menschen die Haare zu Berge stehen lassen. Als Beispiel möchte ich die Einlassungen von Herrn Ganss zu den kürzlichen Hochwasserereignissen nennen, der ernsthaft die Frage stellt, ob Wettermanipulationen zur Durchsetzung politischer Ziele eingesetzt werden.

Für mich stellt sich die Frage, was aus journalistischer Sicht schwerer wiegt. Sollte man ungefiltert auch abstruse Meinungen abdrucken, um allen Richtungen gerecht zu werden und sich nicht dem Verdacht der Meinungsmanipulation auszusetzen? Andererseits steht unter den Leserbriefen der volle Name und der Wohnort des Verfassers, der womöglich auch Familie hat - besteht nicht auch eine Art Fürsorgepflicht gegenüber den Lesern, um zu verhindern, dass sie sich selbst und womöglich die Kinder zum Gespött der ganzen Nachbarschaft machen und sich praktisch selbst zum Dorftrottel erklären?

Mich würde da die Meinung des Forums interessieren, zumal ein paar ja auch selbst journalistisch tätig sind.

ähem, ich würde mal sagen, wer leserbriefe schreibt, will veröffentlicht werden. muss man da nochmal nachfragen? und ja, auch abstruse meinungen können veröffentlicht werden. eine pluralistische gesellschaft sollte damit umgehen können.

Eine andere Gefahr besteht aber auch darin, dass eine Zeitung über den Umweg Leserbriefseite zur Fake-News-Schleuder wird. Wenn wie in diesem Beispiel jemand unwidersprochen behaupten kann, dass durch Chemtrails und Mikrowellen das Wetter beeinflusst werden kann, nehmen das womöglich andere Leser für bare Münze.

Und gerade diese Zeitung ist auch ein Beleg dafür, dass Querdenker besonders eifrige Leserbriefschreiber sind.

Okay, wenn das so ist, dass sich das wirklich häuft, ist das natürlich fragwürdige journalistische Praxis.

Ich würde die Leserbriefe einer Lokalzeitung nicht zu den bedenklichen Aggregatoren zählen. Man erzielt auf anderem Wege ohne allzuviel Aufwand deutlich mehr Reichweite. Insofern wäre es mir sogar lieber, wenn alle SchwurblerInnen sich auf Leserbriefe beschränken würden, geschrieben auf Büttenpapier in feinstem Sütterlin.