Immerhin war ich der Initiator dieser Reihe. Muß ja auch nochmal erwähnt werden.
Davon abgesehen, habe ich nicht diesen Druck, das jetzt schleunigst retten zu müssen, da ich die Liste samt Anmerkungen schleunigst in mein kommendes Buch übernommen habe (wenn schon, denn schon) und die Anmerkungen größtenteils überarbeitet habe. Da ich jedoch nicht alle Songs kommentiert habe (bei den Künstlern, die im Buch ausführlicher gewürdigt werden, sparte ich mir Arbeit und Redundanz), stehen ein paar Titel für sich. Der Rest ist quasi eine kostenlose Leseprobe.
Fehlende Kommentare und aufzutreibende Links werde ich hier noch reinpuzzeln, damit es nicht so eine Buchstabenwüste bleibt.
Es gibt Songs, die ragen schon seit Jahr und Tag monolithisch empor entlang der staubigen Strecke, auf der man dahinwandert, ohne daß man genau benennen könnte, wo ihr Reiz und ihre Bedeutung für sein eigenes Leben eigentlich liegen. Die ersten Male hörte ich ihn 1988 im Radio, bereits fasziniert von den Bildern, die vor meinem inneren Auge dazu entstanden. Das klingt wie nur schwer zurechnungsfähiger Esoterikstuß, gibt aber exakt das wieder, was ich damals dachte. Ich bin überrascht, wie wenig „Under The Milky Way“ über die Jahre von seiner Strahlkraft eingebüßt hat... die so gleißend ist, daß ich mir niemals die zugehörige Platte gekauft habe, wohl aus Angst, daß es – sollte es sich inmitten eines Haufens mediokrer Songs befinden – etwas davon einbüßen würde. Mittlerweile weiß ich auch, wo genau seine Größe liegt: wer es je einmal um diese Jahreszeit im Freien gehört hat, entweder allein oder zu zweit auf dem Rücken liegend und den Blick in den sternenklaren Himmel gerichtet, erlebt genau einen der Momente, die mich ein Leben lang an diesen Song ketten. 03 Big Black: Kerosene (1986)
Ebenfalls gesetzt: ein Song für die Ewigkeit. Funktioniert am besten mit Dorfpunk- Vergangenheit, denn der Text brachte unsere damalige Gefühlslage exakt auf den Punkt.
Ein Song, den ich schon so lange liebe, daß ich nicht mal mehr weiß, wann ich ihn zum ersten Mal gehört habe. Er war einfach schon immer da, seit meiner Kindheit. Und ich verbinde damit nur angenehme Erinnerungen, die allesamt vage bleiben, aber einen süßen Nachgeschmack hinterlassen.
05 Sixteen Horsepower: American Wheeze (Night Owl Session) (1991)
Die Hymne der korsischen Separatistenbewegung, der ich mich teilweise verbunden fühle. Im Internet kursieren als visuelle Umsetzung hierzu einige ganz nette martialische Videos, die eine Freundin von mir zu der Aussage verleiteten, sie machten ihr Angst. Nun denn.
Hat mir schon so manchen Tag gerettet, an dem ich schlechte Laune hatte. Hier noch mit Pete Shore (zuerst am Mikro), dessen Leben leider eine recht unschöne Wendung nahm. Dem Vernehmen nach verlor er irgendwann komplett den Ball und verbarrikadiert sich nun schon seit Jahren in seiner Wohnung. Eine Band, die aus der tiefsten Gosse kommt und nicht von ungefähr so klingt, wie sie klingt.
Die dürfen natürlich nicht fehlen. Ein Kumpel hatte mir die damals auf Cassette aufgenommen, und am Anfang waren die mir zu monoton. Jedoch hörte ich sie dennoch dauernd im Auto, und irgendwann hatten sie mich... und zwar dergestalt, daß ich jahrelang sämtliche Veröffentlichungen ohne zu zögern kaufte. Irgendwann kamen dann die ersten Scheißplatten („Bobby Digital“, beispielsweise) und ich war raus... und habe mittlerweile komplett den Anschluß verloren. Aber zumindest machten sie mir jahrelang eine Menge Spaß. Und das hier tritt immer noch. Aber ordentlich. "Tiger Style!"
Bekannterweise ist mein Favorit das "Suicide Invoice"- Album. Dieser Track von ihrem Debüt überragt dennoch alles. Ein groovendes Monster mit einem hereinbrummenden Baß, das fest zu meinen DJ- Sets gehört. Ist aus keinem besonderen Grund auf der 9, nur weil es mir so ausnehmend gut gefällt.
10 Isaac Hayes: Theme From Shaft (1971)
Sachen, die ich nicht verstehe, Teil 247: warum war eine der coolsten Säue diesen Planeten Scientologe? Nichtsdestotrotz war das hier die Initialzündung für meine nun schon fast jahrzehntelange Blaxploitationleidenschaft. Und auch wenn Isaac Hayes manch langweiligen Bombastquatsch und noch schlimmeren Discoquatsch verbrochen hat, ist das hier in Musik, Auftreten und Text der absolute Standard , was Dinge betrifft, die man als halbwegs geschmackssicherer Mensch cool finden sollte.
11 Slayer: South Of Heaven (1988)
12 Black Moon: How Many MC's... (1993)
Noch ein HipHop- Track. Das ist folgerichtig, schließlich habe ich jahrelang fast ausschließlich HipHop oder Bratgitarrenmusik gehört, und darum gebührt ihm in meinen Top 100 auch eine vernünftige Anzahl von Plätzen, wenn er in meinen Top 10 schon ziemlich einsam in der Ecke sitzt und heult. Meine "Yo! MTV Raps!!"- Zeit, jeden Samstag zwei Stunden Videos, die sonst nirgends liefen. Meine ganze Wochenendplanung zimmerte ich um diese Sendung herum, und vieles, was dort lief, steht noch heute in meinem Plattenregal. BLACK MOON erwischten mich beim ersten Mal. Ein düsterer Track mit einem gnomigen, irgendwie drollig aussehenden Rapper, der böse sein wollte. Eine Art von Liebe auf den ersten Blick. Und das, obwohl die Jungs textlich wirklich nicht sonderlich helle waren. Die CD erstand ich mit viel Glück. Anfang der 90er gab es kaum HipHop in Geschäften zu kaufen, in der Kleinstadt schon gar nicht. In Landau/Pfalz kamen ab und zu 3, 4 neue CDs im Plattenladen an, und wenn man die verpaßte und sie weggekauft wurden, sah man sie nie wieder und mußte sie bestellen, und das dauerte ewig. In der Zeit saß man wochenlang sabbernd zu Hause und gierte nach den Platten.
13 The Jesus Lizard: Nub (1991)
14 Spliff: Déjà Vu (1982)
Ich muß mich outen: ich LIEBE diesen Song. Ist "Joan Of Arc" von den MELVINS die Mutter aller Gitarrenriffs, ist das hier die Großmutter. Dazu ein grandioser Text, vorgetragen von einem Sänger, der nach Martin Semmelrogge klingt. Hier paßt alles. Dabei ist 80er- Jahre- Deutschrock für mich einer der Dante'schen Höllenkreise.
15 Paris: The Devil Made Me Do It (1989)
Die SPEX hatte sich auf Paris eingeschossen und mußte- warum auch immer- ständig bemerken, wie überschätzt er wäre. Wäre die 90er- SPEX eine Musikzeitschrift gewesen und keine Wichsvorlage für trendbewußte, sich links dünkende Soziologiestudenten, hätte sie vielleicht recht gehabt. Aber so? Man höre dieses MONSTER. Das Intro mit dem Sample ( bizarrerweise Ted Nugents "Stranglehold", las ich mal ) und den rückwärts laufenden Beats. Der bedrohliche elektronische Soundteppich. Dazu die Skills und der wirklich gute Text von jemandem, der ohne Scheuklappen auch mit progressiven weißen Gruppen (Consolidated) zusammenarbeitete. Für mich einer der besten Tracks überhaupt... aus einer Zeit, als HipHop noch was zu melden hatte.
16 The Trashmen: Surfin' Bird (1964)
Meine Vorliebe für musikalische Schrägheiten hat seine Wurzel vermutlich in dem Moment, als dieser Song in der Kindheit meinen Weg kreute. Egal, ob das ein dreistes, aus zwei Songs zusammengekleistertes Plagiat ist und von allerlei Scheißbands ( wie den unerträglichen FREAKY FUKIN’ WEIRDOZ) gecovert wurde: nichts konnte ihm etwas anhaben. Unzerstörbar für die Ewigkeit. Schon mit 10 Jahren wollte ich von denen die Platte haben. Und habe sie mir unwesentlich später auch gekauft. Mit 33.
17 Dr. Dre: Still D.R.E. (1999)
Kommen wir nun zum einzigen Interpreten, der unter seinem Namen zweimal hier vertreten ist (sogar dreimal, wenn man N.W.A. dazuzählt, allerdings ist er auf "Straight Outta Compton" nicht zu hören). Steve Albini (BIG BLACK & SHELLAC) und Iggy Pop (STOOGES & Solo) tauchen zumindest in verschiedenen Aggregatzuständen in dieser Liste auf. Das Lied geht an meine erste WG in Karlsruhe; der seltene Fall in meinem Leben, daß eine solche perfekt funktionierte. Wir drei waren befreundet und sind es erstaunlicherweise bis heute geblieben, auch wenn der Kontakt umständehalber eher sporadisch ist.. Bettina, die heute in Hamburg wohnt, am Theater arbeitet, verheiratet und Mutter ist, hörte keinen HipHop, kam aber nicht drumherum, da ich damals die "2001" von Dr. Dre rauf und runter hörte. Und "Still" lief noch dazu dauernd in unserem damaligen Lieblingsclub. So wurde es "unser" Lied und blieb es bis heute. Ein gutes Andenken an eine schöne Zeit.
18 Iggy and the Stooges: Cock In My Pocket (1974)
Kein Lieblingssong, aber ein geschichtsträchtiger. Siehe weiter vorne.
19 Ween: Buenas Tardes Amigo (1994)
WEEN haben ja immer "Musik über Musik" gemacht und verschiedene Stilrichtungen parodiert oder ihnen gehuldigt... oftmals alle Genrezutaten in einem Song komprimierend. Das ist der Song, der mich damals zu ihnen brachte. Kann ich heute noch auswendig, denn als Italo- Western- Fan kommt man an dem nicht vorbei. Und beim Gitarrensolo möchte ich mich immer noch hinknien. 20 Killing Joke: The Death And Resurrection Show (2003) „Herzlichen Glückwunsch zum 30.! Ich wusste nicht, was ich dir schenken soll, also dachte ich, ich gehe mal von dem aus, was mir auch gefällt. Das Comeback von…“ Ähm, ja. Danke. Natürlich kannte und mochte ich „Love Like Blood“ aus den 80ern. Aber ansonsten hatten die mich nie die Bohne interessiert. Und jetzt hatte ich eine CD, zumindest mit Dave Grohl am Schlagzeug. Aber haben wollte ich das immer noch nicht. Weil man ja gegenüber guten Freunden nicht zu hart sein will, beschloß ich, zumindest mal reinzuhören, und dieser Opener killte mich ohne Vorwarnung. Seitdem habe ich eine weitere Lieblingsband.
21 Tricky: Ponderosa (1995)
Auch Tricky war in den 90ern der absolut heiße Scheiß in der SPEX. Ich konnte damit nichts anfangen. Null. Das war kein HipHop, das war seltsames Zeug, das keinen Meter rockte oder sonstwas mit mir tat. Bis ich dann "Karmacoma" von MASSIVE ATTACK hörte (das ja auf der "Maxinquaye" auch als Eigencover namens "Overcome" vertreten ist). Der Song faszinierte mich, und da beschloß ich, Tricky noch eine Chance zu geben. Also holte ich mir spontan das Album, und schon nach kurzer Zeit wurde es eine meiner liebsten Platten überhaupt, woran mein immenser Rauschmittelkonsum Mitte der 90er nicht unschuldig sein mag.. Sie ist es aber bis heute geblieben, trotz geändertem Konsumverhalten, und muß deswegen durchaus andere Qualitäten haben. „I drink till I'm drunk / And I smoke till I'm senseless“. Wer hätte das bei diesem unfaßbar verspulten Stück (herausragend: das Break im Mittelteil) bloß gedacht? Was der seltsame Albentitel bedeutet, fand ich erst spät heraus: eine Hommage an Trickys Mutter Maxine Quaye, die sich das Leben nahm, als er vier Jahre alt war. 22 Refused: New Noise (1997)
Was war das bei seinem Erscheinen nicht für eine Granate. Und auch, wenn der Song mittlerweile in diversen Alternativeclubs fast totgespielt wurde, bleibt er immer noch ein fester Bestandteil meines Lebens. Intellektuelle, schwedische Linksradikale mit Stilbewußtsein, die nicht nur in Albentitel und Covergestaltung Jazzgrößen wie Ornette Coleman und Miles Davis zitieren, sondern auch auf der Platte selbst Hardcore- Punk, Jazz und Elektronika zu einer halsbrecherischen Mischung zusammenrühren. Da verzeiht man es auch gerne, daß einem Dennis Lyxzens Schweinchen- Schlau- Habitus manchmal gewaltig auf den Sack geht und die Band zudem mit einer umstrittenen REFUSED- Reuniontour (allerdings ohne neue Platte) wohl dem Ruf des Geldes erlag, weil die Revolution anscheinend nicht so viel abwirft. Lustig ist, daß ich die Band mit der Vorgängerplatte „Songs To Fan The Flame Of Discontent“ in einem Jugendzentrum in Eppelheim bei Heidelberg live sah… als Vorband der musikalisch guten, aber geistig eher minderbemittelten NYHC- Dumpfbacken MADBALL. Selten ein so unpassendes Line- Up gesehen. Da wäre ich gerne backstage gewesen.
23 Nick Cave and the Bad Seeds: Do You Love Me? (1994)
24 James Brown: Super Bad (1971)
Haut mir immer noch die Sicherung heraus, und zwar restlos. Ein Monster. Sogar beim puren Anhören hier in meinem Zimmer möchte ich mich nur wild dazu bewegen. Hoffentlich werde ich nie Sex zu diesem Stück haben. Das wäre vermutlich mein Ende.
25 Curtis Mayfield: Superfly (1972)
26 Helmet: In The Meantime (1992)
Das nagelte mich damals gnadenlos an die Wand. Das Riff. Die Präzision. Dieses punktgenau aufeinander abgestimmte Zusammenspiel. Diese Entscheidung, allzu eingängige Momente mit völlig kakophonischen Gitarrensoli zu zerstören, gegen die King/Hanneman fast noch beschwingtes Metalgegniedel boten. Und das mit einem studierten Jazzer als Sänger. Und das als eine kurzhaarige Band in ganz normaler Kleidung... so unauffällig aussehend, daß ich über die Klassifizierung "die militante Metalband HELMET" seinerzeit im SPIEGEL nur verwundert den Kopf schütteln konnte. Bei "Meantime" hatte Amphetamine Reptile noch seine Finger im Spiel, kurz darauf wechselten HELMET zu einem Major und wurden mit der übernächsten Platte scheiße. Und zwar richtig scheiße. Und Banddiktator Page Hamilton outete sich als größter Unsympath vor dem Herrn. Das wäre zu verkraften, würde er unter dem (mittlerweile Projekt-) Namen HELMET wenigstens noch gute Musik machen. Aber zumindest im Scheißesein ist er bewundernswert konsequent.
27 R.E.M.: The One I Love (1987)
28 The Rolling Stones: Can't You Hear Me Knocking (1971)
Früher war ich in Bezug auf die ROLLING STONES eher ein "Diverse- Songs- Gutfinder", richtig zu schätzen gelernt habe ich sie erst in den letzten 10, 12 Jahren. Dennoch war die Frage nach einem speziellen Song extrem schwierig. "Sympathy For The Devil"? "Mother's Little Helper"? "Gimme Shelter"? Ächz. Die STONES komplett weglassen, kam aber gar nicht infrage, dafür mag ich sie zusehr. Da fiel mir ein: genauso wie "Swordfishtrombones" (siehe nächste Plazierung) hatte ich mit "Sticky Fingers" ein jahrelang ignoriertes und erst spät gemochtes Album daheim. Gekauft mit 16 als CD- Sonderedition mit Original- Miniatur- Reißverschluß, verrottete das jahrelang in meiner Sammlung. Als ich ca. 2002 zufällig die "Tattoo You" für mich entdeckt hatte, kramte ich die auch wieder hervor. Und plötzlich fand ich sie ziemlich gut. Und das Anfangsriff von "Can't You Hear Me Knocking" killt mich heute noch. Deswegen habe ich mich bei gleichen Startvoraussetzungen für alle STONES- Songs (außer "Angie", das war schon immer Satan) für einen Albumtrack entschieden, der kein Hit war. Das Riff. Dieses RIFF. 29 Tom Waits: 16 Shells From A Thirty- Ought- Six (1983)
Ich hörte mit 16 "In The Neighbourhood" im Radio und schnitt es zufällig mit. Schon nach kurzem war klar: ich brauchte die Platte. Und als "Nice Price" für damals 12.95 DM paßte die auch gut ins schmale Budget. "16 Shells" war für mich damals DER Übersong des Albums, mit dem Rest konnte ich nicht übermäßig viel anfangen... und so stand die Platte bei mir weitgehend ungehört herum. Jahrelang. Bis die "Blood Money" meinen Weg kreuzte. Sofort kaufte ich sie mir, hörte sie tagelang und wollte mehr. Moment: da war doch noch was. Ich grub "Swordfishtrombones" wieder aus und mußte zwanghaft auf "16 Shells" rocken, als hätte es die mehr als 10 Jahre des Ignorierens zwischen Erwerb und Mögen dieser Platte nie gegeben. Der Grundstein meiner heutigen Tom- Waits- Begeisterung.
30 Howlin' Wolf: Fourty- Four (1954)
Zwar heult er in diesem Track leider nicht (wer das noch nicht gehört hat: unglaublich. Ein Ton, der manchmal so verzerrt aus den Boxen kommt, als würde jemand durch einen Kamm blasen), aber die roh punchende Urgewalt dieses Tracks, der über Kopfhörer übrigens noch besser funktioniert, sucht seinesgleichen in diesem Genre... bevor Howlin' Wolfs UN-FASS-BARE Stimme einsetzt und sich durch die Großhirnrinde sägt wie durch warme Butter. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Doch: "moderner" Blues soll endlich einpacken und weggehen. Ganz weit weg.
31 Cypress Hill: Hand On The Pump (1991)
Was habe ich sie nicht anfangs gehaßt. Diese grauenhafte Näselstimme und die schräge Musik. Dann sah ich das „Hand On The Pump“- Video, und es war schlagartig um mich geschehen. Ihr Debüt zählt auch heute noch zu meinen absoluten Lieblingsplatten, und 1992 waren das Götter. Mindestens.
32 Miles Davis: Dr. Jackle (1958 )
Eine Stellvertretergeschichte. Eigentlich sollte man einzelne Jazztracks hier weitgehend heraushalten, da es sich damit so ähnlich verhält wie mit Klassik. Aber: die Art und Weise, wie mir "Bitches Brew" damals endgültig die Tür zum Jazz öffnete, unterscheidet sich nur marginal von Anekdoten mit den ansonsten üblichen Verdächtigen. Nachts um zwei in meiner Wohnung, Kopfhörer auf, Bier auf dem Tisch... und KA- ZOOM. Meine Hauswand zerbröckelte, und ich wurde in meinem Sessel in den Orbit katapultiert, angetrieben von diesem Groove. Der Groove. Der niemals endenwollende Groove. Danach entdeckte ich Miles Davis’ andere Schaffensphasen, manche käsig, manche langweilig, manche entspannend, manche komplett irre. Auf jeden Fall hat schon lange keine musikalische Entdeckung dermaßen mein Leben bereichert wie Jazz im Allgemeinen und Miles Davis im Besonderen. Ich weiß auch nicht, warum Jazz als langweilige Studienratsmusik gilt, wenn man sich- ähnlich wie beim Blues- die Lebensläufe der Musiker anschaut. Die ersten Rockstars der Geschichte haben es nicht verdient, daß sich langweilige Bürokraten aus ihnen ihre bildungsbürgerliche Nische zimmern. Oder wie sagte mein Freund und Radio- Co- Moderator Sebastian aka Leif Erikson beim Hören bewundernd: "Das ist kein Nerdkram. Das ist Musik von Wahnsinnigen für Wahnsinnige."
33 Element Of Crime: Weißes Papier (1993)
Der könnte auch in meiner Top 10 stehen. Für mich einer der ergreifendsten Songs deutscher Sprache, die ich kenne... alleine die letzte Strophe schafft mich. Dabei hatte es die Band anfangs so gar nicht leicht mit mir. Aber damit haben sie mich gekriegt. Denn Sven Regener spricht wahre Worte. Leider. 34 The White Stripes: Seven Nation Army (2003) "Huch! Sowas Abgegrabbeltes?" Ja. Weil ich den Song vom ersten Moment an geliebt habe und es erstaunlicherweise immer noch tue. Weil ich mir kein Lied, das ich mag, von blökenden Vollpfosten kaputtmachen lasse (siehe "The Passenger"). Weil er mich zur Band gebracht hat und ich ihre Platten auch heute noch sehr gerne höre. Und weil ich es für einen Geniestreich halte, 2003 noch ein so bestürzend simples Riff für die Ewigkeit aus dem Ärmel zu schütteln und mit solch einem Text zu garnieren.
35 Faith No More: Jizzlobber (1992)
Zu Beginn meiner "Punkzeit", die ja eigentlich eher eine "Alternativezeit" war, wenn man es rein musikalisch betrachtet, waren meine Lieblingsband eigentlich die RED HOT CHILI PEPPERS. Deren ganz frühe Sachen kann ich im Rahmen unerklärlicher Nostalgie alle zwei Jahre oder so mal wieder für 10 Minuten hören, ansonsten stehen mir die bis zum Scheitel. FAITH NO MORE waren mir zuwenig funky. Als "Midlife Crisis" herauskam, das ich mochte, holte ich mir in einem Anfall spontaner Kauflust trotzdem die "Angel Dust". Und die Platte fand ich einfach nur gut, bis ich zum 12. Song kam. "Jizzlobber" war dermaßen wahnsinnig, daß es mich komplett wegblies und den Beginn einer lebenslangen Begeisterung markierte, auch für Mike Patton und seine obskuren späteren Bandprojekte. Die Band kann ich heutzutage noch jederzeit hören, in allen Lebenslagen, zum Frühstück, zum Duschen, zum Tanzen, mittlerweile sogar das vielgeschmähte "Album Of The Year". FAITH NO MORE waren 1992 in der Karlsruher Schwarzwaldhalle auch das zweite Konzert einer "großen" Band, das ich erlebte, und allein den Organisationsaufwand zu beschreiben, um damals ohne Führerschein und vernünftige Bahnverbindung vom Dorf nach Karlsruhe zu kommen, wäre schon ziemlich umfangreich. Mein erstes "großes" Konzert war übrigens 1991 GENESIS auf dem Hockenheimring, auf der "We Can't Dance"- Tour. Hust.
36 Anne Clark: Our Darkness (1984)
Manchmal geht das Leben seltsame Wege: ich war einmal vor gut 15 Jahren gut befreundet mit einer absoluten Kampflesbe, da war wohl beidseitiges "Gegensätze ziehen sich an" der Hauptgrund dafür. Aber die Frau hatte einen erlesenen Humor, den man bei Vertreterinnen dieser Spezies eher selten findet. Wir wohnten zusammen im Wohnheim und fanden über unsere Liebe zu japanischen Monstertrashfilmen eine Basis für unsere Freundschaft. Natürlich hörte sie Anne Clark, was sonst? Das scheint genauso ein zu erfüllendes Klischee zu sein wie die Liebe der meisten Schwulen zu käsiger Popmusik. Ich habe normalerweise ein Problem mit Musik, der kein Gramm Dreck, Funkyness oder Soul innewohnt, doch bei Anne Clark stört mich das nicht, weil ihre Musik a) genau meine Vorstellung von Urbanität wiedergibt und b) ihre Inhalte adäquat transportiert. Manchmal klingt das so kalt, abweisend und einsam, daß mir als passende Assoziation eine öde, weißgekachelte Naßzelle mit einem dreckigen weißen Waschbecken und einer Neonröhre über dem Spiegel einfällt. Und das geht in Ordnung, denn das soll es wahrscheinlich auch. Eine passende Anekdote hierzu: irgendwann wartete ich nachts in der Berliner U- Haltestelle "Gesundbrunnen" auf meine Bahn. Das Licht war gedämmt, ich stand alleine da, das eh schon unappetitliche OP- Saal- Grün der Haltestelle verlieh der Szenerie eine recht bizarre, kalte Atmosphäre. Ich dachte exakt an zwei Dinge: „fehlt nur noch Anne Clark aus dem Deckenlautsprecher“ und "das ist wie in so einem modernen Vampirfilm". In dem Moment tritt ein großer, bleicher Typ mit blondgefärbten Haaren an den Bahnsteig… in einem knielangen, schwarzen Ledermantel. As creepy as fuck.
37 Masta Ace Incorporated: Born To Roll (1994)
Wenn "Joan Of Arc" die Mutter aller Riffs ist, ist das hier die Mutter aller Bässe. Der kosmische Superbaß. Und dazu ein Song, der so eng mit mir und meinem besten Kumpel, meinem Bruder im Geiste (Bast alias "Käpt'n Yankel Bronkowitz") verbunden ist, daß ich etwas weiter ausholen muß. Masta Ace ist ein Eastcoast- Rapper, dessen Besonderheit ist, daß er eher nach Westcoast oder Miami klingt... Lieder meist über Chromfelgen, Subwoofer, Auto- HiFi- Soundbattles und ähnlichen Scheiß, oftmals albern, genau so oft aber auch musikalisch überragend. Beispiel oben. Kommen wir zu der passenden, doch wie angedroht grenzwertigen Anekdote zu diesem Stück:
Es begab sich nun zu der Zeit 1999, als wir noch zusammen eine HipHop- Band hatten und in Speyer wohnten, daß wir uns von Punk- und SHARP- Skin- Freunden überreden ließen, als Speyerer Mob auf's Force Attack nach Rostock zu fahren... ein recht glumpfiges Festival, mit grusligen Deutsch- und Schrottpunkbands en masse und grötenteils dementsprechendem Sauf- und Hundepunk- Publikum. Wir beide waren damals schon auf Distanz zu dieser Geschichte und hatten einen Ruf als politisch unkorrekte Provokateure. Einer aus der Gruppe wollte uns deshalb nicht dabeihaben und schärfte uns ein, ja keinen Ärger zu machen, denn er würde uns nicht raushauen. Da nahmen wir diese Herausforderung natürlich erst recht an. Wir fuhren zu Fünft in meinem 87er- VW- Polo und waren bei der Ankunft schon jenseits von Gut und Böse. Scheißbands (deswegen sah ich mir lediglich die BAFFDECKS an), teilweise noch schlimmere Leute, daraus resultierend die Notwendigkeit, sich mal richtig die Vorhänge zuzuziehen, um das halbwegs zu ertragen. In meinem Auto fand ich ein Mixtape, das mir ein Kumpel geschenkt hatte, und das neben Garagenpunk wie den OBLIVIANS "White Power" von SKREWDRIVER enthielt. Warum, weiß ich bis heute nicht, denn von BLOOD & HONOUR war ich damals genauso weit weg wie heute.. Dazu ein HipHop- Mixtape von mir, das "Born To Roll" enthielt. Und da alles dermaßen scheiße war, machten wir den größten Teil der Zeit Zweier- Party in meinem Auto, überwiegend in nicht näher beschreibbaren Zuständen, und hörten exakt diese zwei Lieder. Stundenlang. Tag und Nacht. Von Freitag bis Sonntag, nur ab und zu zwei oder drei Stunden den Geist aufgebend (wir, nicht das Tape). Mit der Zeit wurden auf diesem Zeltplatz allgemein bestaunt, als wäre dies eine Art von Performancekunst.. Nur ein Empörter wollte uns wegen SKREWDRIVER verprügeln. Warum wir das alles taten? Keine Ahnung. Das war wohl in der Auslotung von Extremen und Grenzen am ehesten mit "MTV Jackass" vergleichbar.. Man mag davon halten, was man will, aber ich glaube, der Verdacht, Nazisympathisanten zu sein, hält dennoch bei uns beiden keiner genaueren Überprüfung stand.
38 Muddy Waters: I've Got My Mojo Workin' (1960)
Als ich gerade John Lee Hooker mit "The Healer" für mich entdeckt hatte (es muß 1990 gewesen sein), fand ich im schäbigen HELA- Supermarkt in Landau/Pfalz auf einem Ramschtisch mit Billig- CDs eine lieblos aufgemachte Version von "Muddy Waters At Newport" für 9.99 DM. Damit konnte man ja nichts verkehrt machen, also mitgenommen das Ding und daheim eingelegt. Alter Blues. Nett, aber eher langweilig, dachte ich. Bis zu diesem Stück, auf der CD in "Part 1 & 2" unterteilt, da Muddy das Lied mangels Material für eine Zugabe einfach zweimal hintereinander spielte. Und mit was für einem ansteckenden Elan! In meiner Punkzeit gammelte die CD im Regal vor sich hin, als Gruß aus meiner Jugend, doch das Stück war immer noch der Hammer. Jedem, der halbwegs mit dieser Musik was anfangen konnte, mußte ich es vorspielen. Vor einigen Jahren erlebte diese Platte in meiner Sammlung dann ihre verdiente Renaissance. Und daß ich vor geraumer Zeit im Internet noch das entsprechende Bildmaterial fand, das mein Kopfkino durch die realen Bilder ersetzte, ließ mich mal wieder das Internet loben und preisen. Kürzlich konnte ich auch endlich die uralte Billig- CD durch eine Vinyl- Nachpressung ersetzen.
39 Joe Jackson: Steppin' Out (1982)
Diesen Song liebe ich schon seit meiner Kindheit, und da ich die Single nirgends fand, kaufte ich mir im gesetzteren Alter das ganze Album, und die "Look Sharp!" von ihm (nicht von ROXETTE) gleich noch mit dazu. Bereut habe ich beides nicht. Doch das hier wird immer über seinem gesamten Output stehen und funkeln.
40 Kyuss: El Rodeo (1995)
Die Götter des Stoner Rock. Der Soundtrack meiner frühen Adoleszenz. Wenn wir uns auf irgendeiner Grillhüttenparty in der Walachei einen hinter die Binde gossen, konnte man dazu nachts um eins in letaler Lautstärke "Johnny" mitbrüllen und prima Sackgitarre spielen. Natürlich breitbeinig, denn aufrecht stehen konnte man sowieso kaum noch.
41 Gang Starr: Take It Personal (1992)
Anfang der 90er war Jazz- HipHop der ganz große Hype. Weg von Funk und Elektro, hin zu Jazzsamples. Ich konnte mir darunter nichts vorstellen, fand aber fast alles nach ersten Hörproben langweilig, genau wie Jazz. Für mich damals ein Musikgenre, das ich zwar respektierte, dessen elitäre Vertreter aber meiner Meinung nach unter einem massiven Stock im Arsch litten. Dann kam dieser Track, damals das Beste, was ich mir seinerzeit vorstellen konnte. Ein simpler Diss mit einem schweren, trockenen Beat und einem spartanischen Pianoloop, Telephontuten und viel Gescratche. Als ich- damals FSJ'ler- mit meinem Zivikollegen in Karlsruhe im WOM einkaufen ging, besorgte ich mir umgehend die CD (zusammen mit BDP und 3rd BASS), legte sie daheim auf und langweilte mich tot. Wie monoton. Welch steife Samples. Arrgh. Damals gab ich aber noch nicht so schnell auf. Wenn man kaum Geld für neue Platten hat, verteidigt man seine vom Mund abgesparten Einkäufe mit Zähnen und Klauen und versucht, sie sich schönzuhören. Daß das mit GANG STARR perfekt klappte, ist kein Geheimnis. Sie wurden eine meiner liebsten HipHop- Bands, wie die meisten damals populären Eastcoast- Gruppen, die einen unglaublichen Standard hielten, während die Westcoast langsam in ihrer G- Funk- Grütze ersoff. 42 Rutabaga: String's Gonna Get You (1971)
Irgendwann in den 90ern erschien auf einem Ableger von CRYPT! Records ein Sampler namens "Shaftman". Dieser enthielt eine ordentliche Anzahl Funk- und Blaxploitation- Klassiker, bei der gnadenlos auf die Dämlichkeit der Texte geachtet wurde. Eingebettet war die Musik in eine Art "Shaft"- Detektivhörspiel, das mindestens genauso beknackt war und hauptsächlich aus wildem Fickgestöhne bestand, was einen schnell in Verlegenheit bringen konnte, wenn man die Nadel an der falschen Stelle absenkte. Ganz, ganz schlechter Sport und heutzutage grandios unkomisch. Musikalisch war der Sampler aber eine Fundgrube. Und die Songtexte von geradezu schreiender Grunz- und Brunzdummheit. Ich weiß ja nicht, was von diesem Schwachsinn ernst gemeint war (wenn man genug Blaxploitation- Filme gesehen hat, vermutet man: alles), aber RUTABAGA war und ist in diesem Punkt ein Quell ewiger Heiterkeit. Und davon abgesehen rockt das wie Sau. “FREEZE, BOY!”
43 NoMeansNo: Now (1991)
Außer den Original- DEAD KENNEDYS die beste Punkband überhaupt, die mittlerweile schon komplett über 60 sein dürfte. Dazu musikalisch unglaublich versiert und außerdem in Würde gealtert. Es dauerte ewig, bis ich mir die halbwegs anhören konnte. Zuviel Gefrickel, bis zur Schmerzgrenze wiederholte Baßläufe, achtminütige Stücke, die auf demselben, endlos dahinmäandernden Thema aufgebaut sind, bis man beim ersten Hören entnervt irgendwas kaputtschlagen möchte. Nur: wenn man diese nicht gerade niedrige Hürde einmal genommen hat und sich darauf einläßt, hat man plötzlich eine großartige neue Lieblingsband. Ich habe mich für ihren wahrscheinlich eingängigsten Song entschieden, den ich oft als DJ auflege, und mit dem ich schon gar absonderliche Leute dazu gebracht habe, mich nach dem Titel zu fragen. Ein ewiger Klassiker.
44 Brand Nubian: Punks Jump Up To Get Beat Down (1992)
Die ersten drei Brand- Nubian- Alben ("One For All", "In God We Trust" und "Everything Is Everything") gehören für mich zum Besten, was ich an Hip Hop bei mir herumstehen habe. Musikalisch grundverschieden, und mit einem nahezu unglaublichen Flow ausgestattet, wobei nach Grand Pubas Abschied nach dem ersten Album der Gegensatz zwischen Sadat X' hysterischem und Lord Jammars bedrohlich- schnoddrigen Stil deutlicher herausgearbeitet wird. Dieser Track sorgt bei mir heute noch automatisch für hospitalistisches Kopfnicken. Soweit, so gut. Leider täuscht das nicht über die Tatsache hinweg, daß sie ziemlich üble, religiös verbrämte Faschisten sind, was man als damals extrem linker, weißer Hörer noch irgendwie versuchte, zu erklären und zu rechtfertigen. Aber im Grunde genommen geht das gar nicht, und schaue ich mir die Diskussionen um die ONKELZ oder FREI.WILD an, hätte ich mir in der Black Community mehr kritische Stimmen gewünscht, die sich mit den BRAND NUBIAN inhaltlich auseinandergesetzt hätten. Was bleibt, ist großartige Musik, die mich immerhin über 20 Jahre lang begleitet hat. Aber auf die Texte möchte ich mittlerweile wirklich nicht mehr genau hören, sonst bekomme ich merkwürdige Gedanken.
45 Fine Young Cannibals: Johnny Come Home (1985)
Ein Song, der auf den allerletzten Drücker hier reingerutscht ist und ein Beispiel für ein grandioses Comeback. Ich mochte das hier eigentlich schon immer und fand dann vor zwei oder drei Jahren in der Ramschkiste des Plattenladens für 2 Euro die LP. Daheim aufgelegt: sehr schön. Nochmal angehört. Und nochmal. Dann nach dem Videoclip gesucht: noch besser. Seitdem hat mich der Song mit bald dreißig Jahren Verspätung doch noch gepackt. So gut waren sie leider nie wieder, und "She Drives Me Crazy" geht mir mittlerweile doch ziemlich auf die Brezel.
46 Screamin' Jay Hawkins: I Put A Spell On You (1956)
Der große Wahnsinnige darf natürlich nicht fehlen. In späteren Jahrzehnten mag sein Auftreten doch eher Fasching gewesen sein (und er Unmengen Scheißplatten veröffentlicht haben), aber in den 50ern wurden er und dieser Song als "kannibalistisch" geschmäht und vom Radio boykottiert. Er tat auch genug, um dem Ruf von jemandem gerecht zu werden, der seine sieben Zwetschgen nicht beisammen hat. Aus einem Hotelzimmer auf ein frisch getrautes Ehepaar zu feuern, das gerade die Kirche verläßt und dabei "Schande über euch" zu rufen, ist nicht gerade ein Indikator für intakte geistige Gesundheit. Dazu der ganze Voodooschmonzens, die Nasenknochen, der rauchende Totenschädel... eine Ausnahmeerscheinung, fürwahr. Gesegnet mit einer ebensolchen Ausnahmestimme, die dem textlichen Wahnsinn die richtige Form verleiht. "I Put A Spell On You" ist der beste Song über Obsession außer "Loverman" von Nick Cave.
47 Suicidal Tendencies: You Can't Bring Me Down (1990)
Das lernte ich 1990 auf "Super Channel" kennen. Damals hörte ich noch keine harte Musik, aber das fand ich zumindest interessant. Erstens war es unfaßbar brutal, zweitens waren das in meiner damaligen Wahrnehmung „Neger, die Heavy Metal spielten“ (etwas, was ich mir nicht mal ansatzweise vorstellen konnte. Daß das Latinos waren und aus einem HC- Punk- Umfeld stammten, lernte ich erst später) und drittens hatte es einen überzeugenden Refrain, den man dem Sänger durchaus abnahm und der einen bei schlechter Laune durchaus aufputschen konnte. Ich sah das Video drei-, viermal und danach lange nicht wieder. Als ich dann endlich harte Musik hörte, stand das ziemlich weit oben bei mir auf dem Zettel. Das Video beeindruckt heutzutage wohl kaum noch jemanden, der älter als 16 ist. Aber der Song ist nach wie vor komplette Tobsucht , und mit 19 hätte ich mir den Text vermutlich am liebsten auf den Rücken tätowieren lassen. 48 ZZ Top: Arrested For Driving While Blind (1976)
Was hatte ich hier nicht für Kandidaten zur Auswahl: "La Grange", "Beer Drinkers And Hell Raisers", "Thank You", und und und. Letztendlich verdanke ich aber "Tejas", die ich mit 17 für 6 Mark dem großen Bruder eines Jugendfreundes abkaufte, die Erkenntnis, daß ZZ TOP nicht nur eine verdammt coole Band ist, sondern ihre frühen Sachen auch bei weitem besser sind als das ganze Sequenzergeplucker und synthetische Gestampfe ihrer 80er- Weltraumbluesphase, die zudem mittlerweile schaurig gealtert ist. Wie zeitlos ihre alten Sachen sind, zeigt sich daran, daß ich dieses Album- nachdem es nach anfänglicher Begeisterung während meiner Punkphase dann über 5 Jahre lang weitgehend ungehört bei mir herumstand- Ende der 90er wiederentdeckte. Aus einer Laune heraus legte ich es im Wohnheim bei einem Bier mit Freund Bast auf, und ab da lief es. Tagelang mehrfach. Dieser Song war allein schon wegen des Textes einer unserer Favoriten.
49 Men Without Hats: The Safety Dance (1982)
So ganz möchte ich meine Kindheit hier nicht ignorieren, deswegen noch eine Art Stellvertretersong. Vor gut 15 Jahren entdeckte ich, daß man 7"- Singles aus den 80ern gebraucht nachgeworfen bekam. Da ich als Kind schon alles mögliche an Musik wie ein Schwamm aufgesogen und auf der Schule in Speyer einen meiner mittlerweile besten Freunde im gleichen Alter kennenlernte, dem es genauso ging und mit dem ich Nächte damit zubringen konnte, bei einem oder mehreren Bieren 80er- Pop- Hits abzufeiern, legte ich mir schnell eine Riesensammlung zu, die mittlerweile weit über 150 Singles umfaßt... die so manchem den Angstschweiß auf die Stirn treiben dürften. Damals existierten noch keine satanösen Privatsender, die sich damit brüsteten, "die meisten 80er" bis zum Erbrechen totzunudeln, sondern man hörte das Zeug nur mit viel Glück mal irgendwo. Darum freute ich mich, als ich mir den "Safety Dance" in die Sammlung stellen konnte, denn ich hatte ihn bestimmt schon 20 Jahre nicht mehr gehört. Am Kolleg existierte er zwischen eben jenem Freund Daniel und mir zumeist als Running Gag: "We kan danz, everybody look at cha handz." 50 mclusky: To Hell With Good Intentions (2002)
Lernte ich damals als Opener eines Heftsamplers vom VISIONS kennen und mußte es mir gleich unter einem kompletten Zwang viermal hintereinander anhören. Eine absolute Bombe, damals wie heute. Für die unsterbliche Textzeile "We take more drugs than a touring Funk band" möchte ich ihnen einen Altar errichten.
51 Viva L'Américan Death Ray Music: Sycophant (2004)
DAS King Bronkowitz/burnedcake- Lied. Man muß mit diesem Song immer rechnen, wenn wir als Duo auftreten, sei es im Radio oder als gesetzter Abschluß unserer seltenen DJ- Sets, wobei man immer wilde Tanzeinlagen der DJs zum Feierabend zu sehen bekommt. Auch live haben wir VLADRM schon zusammen in Darmstadt bewundert... vor ca. 17 Zuschauern, uns eingerechnet. Hätte ich Leif Erikson jemals geheiratet, dann vermutlich zu diesem Lied. Allerdings hätte da auf beiden Seiten jemand was dagegen.
52 Gil Scott- Heron: Me And The Devil (2010)
Einer der neuesten Songs dieser Auswahl, der nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Ich hatte Gil Scott- Heron bis dato weitgehend verpaßt, und dieses Stück (vor allem in Verbindung mit dem düsteren Videoclip) zog mir komplett die Schuhe aus, und ich mußte ihn immer und immer wieder hören. Gehört für mich zum besten, was ich in den letzten Jahren hörte. Wäre es nicht so zynisch, würde ich sagen: alles richtig gemacht: nach einem völlig verkorksten Leben noch einmal so eine Platte abliefern, bevor man sich einfach so mir nichts, dir nichts ins Bett legt und stirbt. Man kann der Nachwelt durchaus peinlicher in Erinnerung bleiben.
53 Grandmaster Flash and the Furious Five: The Message (1982)
Als ich das erste Mal "Survival" von ihnen auf FORMEL EINS mit Peter Illmann sah, wußte ich, daß Rap eigentlich genau mein Ding war. Zwei Wochen später (oder so) lief dann "The Message" mit deutschen Untertiteln ebenda und brachte mich vollends zur Strecke. Nur teilte in der Grundschule auf dem Dorf leider niemand meine musikalische Vorliebe... wer weiß, wie mein Leben in der Hinsicht verlaufen wäre, wäre ich in einer Großstadt aufgewachsen. Zu meinem zehnten Geburtstag erhielt ich die LPs Nr. 2 und 3 meines Lebens: nämlich "No Parlez" von Paul Young, und... und... nö. Meine Mutter ließ mir im Kaufhaus die Wahl: "The Message" von Grandmaster Flash oder "Construction Time Again" von DEPECHE MODE. Ich nahm letztere und mir die Gelegenheit, der Menschheit zu verkünden, daß ich schon seit 30 Jahren HipHop höre.
54 Beastie Boys: Rhymin' And Stealin' (1986)
So wurde das hier mein erstes HipHop- Album (dachte sagte man noch "Rapmusik"), und zwar an meinem 13. Geburtstag. Damals hatte ich den ersten Grundstein für eine Sammlung gelegt, und "Licensed To Ill" war- glaube ich- meine 7. oder 8. Platte überhaupt. Ich verstand damals kein Wort, aber beim "Ali Baba and the forty thieves" - Part mußte ich immer mitrocken. Als sich meine Eltern darüber wunderten, was für eine Scheiße ich da doch hörte, verteidigte ich mich mit meinem Hinweis auf meinen ansonsten tadellosen Musikgeschmack. Hust. Zumindest funktionierte das eine zeitlang. Sie hatten ja keine Ahnung, was ihnen noch alles bevorstand.
55 Black Sheep: The Choice Is Yours (1991)
Noch was aus meiner "Yo! MTV Raps!"- Phase, Anfang der 90er jeden Samstag für zwei Stunden der Höhepunkt meiner Woche. Eine sehr gute, mittlerweile vergessene Native- Tongue- Band, deren Album, das ich damals noch per Mailorder bestellen mußte, heute noch oft bei mir läuft. Eher derber Humor, der jedoch intellektuell verpackt wurde .Eine seltsame Kombination. Im zugehörigen Video kurz zu sehen: Chi- Ali, pubertierender Native- Tongue- Nachwuchsrapper, der es in den 00ern tatsächlich auf die Nummer 1 schaffte... bei "America's Most Wanted", da er landesweit wegen Mordes gesucht wurde.
Und jetzt alle in die Hocke (damals konnte ich das noch, heute merke ich den Zustand meiner Kniegelenke): "Engine engine number nine on that world wide Transit line if my train goes off the track Pick it up pick it up pick it up"
(wild herumspringen)
56 Georg Kreisler: Tauben vergiften (1962)
Kreislers "Smoke On The Water". Ein Lied, das er gegen Ende haßte und nur noch widerwillig darbot, begleitet von Plagiatsvorwürfen, da er es angeblich (bzw. offensichtlich) vom 1953 erschienenen "Poisoning Pigeons In The Park" des amerikanischen Künstlers Tom Lehrer abgekupfert hat... ein Umstand, den man nur schwerlich ignorieren kann. Im Endeffekt: ein Lied zum Vergessen. Also: warum das? 2005 zog ich die "Everblacks", eine Art Live- Best- Of, aus der Billigkiste im Plattenladen. Zustand: unter aller Sau, abgenudelt, Cover beschädigt und mit Wachsflecken. Kostenpunkt: 70 Cent. Ich wußte, daß Kreisler Schwarzer Humor war und von den KASSIERERN gecovert wurde, also dachte ich: zumindest mal reinhören. Und schon der Opener "Tauben vergiften" haute mich um. Wahnsinn. Ein Wortschmied von höchster Qualität. Manchmal klamaukig, manchmal recht harmlos, aber ansonsten genau meinen Geschmack treffend. Tagelang hörte ich nur noch Kreisler und ersetzte das ranzige Exemplar bald durch ein neuwertiges... davon überzeugt, daß er schon seit Jahren tot sei. Dann zeigte mir ein Freund einen Artikel in der "taz": Kreisler hatte eine Autobiographie veröffentlicht, also lebte er wohl noch. Und einen Tag später sah ich in Karlsruhe ein Plakat: er kam in die Stadt, um sein Buch vorzustellen. Lange Rede, kurzer Sinn: irgendwann stand ich ihm ( mittlerweile uralt) gegenüber. Konnte mit ihm reden. Ihm die Hand schütteln. Das Album signieren lassen. Ihm sagen, wie sehr ich ihn bewunderte. Was das "Treffen von Idolen" angeht: einer der größten Momente überhaupt für mich. Danke, daß ich das zufällig noch erleben durfte.
57 Massive Attack: Unfinished Sympathy (1991)
Für mich eines der größten, schönsten und ergreifendsten Liebeslieder aller Zeiten, und wenn man bedenkt, daß ich- allein im Soulbereich- doch einige kenne, will das schon was heißen. burnedcake machte mich freundlicherweise darauf aufmerksam, daß das als Titelmelodie von "Zwei bei Kallwas" geschändet wurde. Manche Dinge will ich nicht wissen.
58 N.W.A.: Straight Outta Compton (1989)
Als ich das mit zarten 18 Jahren zum ersten Mal hörte, wurde ich von einer Lawine von Fäkalausdrücken überrollt, was mir natürlich schon mal gefiel. Danach folgte auf der Platte "Fuck Tha Police", und ich dachte: die trauen sich was. Hatte für mich was von schwarzem Punkrock, und meine Mutter haßte dieses "ordinäre Zeug". Gut, Jungs. Alles richtig gemacht. Jahre später, als ich meine eigene Band hatte, rappten wir das immer zum Aufwärmen vor der Probe und vor Auftritten, und ich kann heute noch alle drei Strophen auswendig... auch, wenn ich mich mittlerweile beim Vortrag vermutlich drölfzich Mal verhaspeln würde. Und Eazy- E ist schon weit über 20 Jahre tot. Jessas, man wird alt. 59 Girls Against Boys: Bullet Proof Cupid (1993)
Immer noch eine meiner am schnellsten aus dem Kollektivgedächtnis verschwundenen Lieblingsbands. Was bleibt? Eines der besten Konzerte meines Lebens, 1994 im Karlsruher Substage, und dieser großartig monotone Hit, der in den 90ern jede Alternativedisco aufmischte und auch heute noch funktioniert. Oder wie ein 50jähriger Bekannter mir im Club letztens tanzend zurief: "Du kannschd mich in ä paar Johr mit'm Rollstuhl hier roifahre, dozu werd isch dann immer noch zapple."
60 Schnuckenack Reinhardt Quintett: The Man I Love (Live) (1973)
Übriggeblieben aus einer früheren Beziehung, die mich dazu brachte, mich mit „Zigeunerkultur“ zu befassen. Zu meinem Glück., denn ich habe großartige Dinge entdeckt, beispielsweise das hier.
Anekdote hierzu gefällig? Damaliger Dialog mit einer älteren Arbeitskollegin:
"Meine Lebensgefährtin und ihre Tochter sind auch Sinti." "Was? Die leben im Wohnwagen?" "Nein, die leben in einem Haus. Mit einem richtigen Dach. Und meine Freundin sitzt auch nicht mit einem Kopftuch davor und flechtet Körbe." "Ach." *staun*
Ja, du mich auch.
61 Motörhead: Mean Machine (1986)
Wenn man als Punkrock- oder Metalfans auf pfälzischen Dörfern aufwächst, die in der Hinsicht relativ wenig zu bieten haben, muß man halt selbst etwas auf die Beine stellen, wenn man nicht zwischen KJG- Normalos, BÖHSE- ONKELZ- Dumpfbacken und Technobauern in getunten Autos ein freudloses Dasein fristen will So organisierten wir Konzerte in Turnhallen, Kneipen, Gemeindezentren oder Grillhütten.. Anfang der 90er wurde dann der "Air- Guitar- Contest" ins Leben gerufen, der dreimal nacheinander stattfand. Gewonnen wurde er jedesmal von dem späteren TREND- Schlagzeuger Stolle aka Marco Treiling, der eine schwer zu überbietende Show bot, aber angetreten wurde als Herausforderer dann natürlich erst recht. Also stand ich auch einmal auf einem Traktorenanhänger auf einem Acker in Ilbesheim bei Landau, um "Mean Machine" von MOTÖRHEAD zu performen, in folgendem unfaßbaren Aufzug: eine rot- weiße Plastiknetzbaseballmütze mit dem Aufdruck "Zeiskamer Reisegruppe"; ein paar Meter Gummilitze als lange Haare; einem mit Tesafilm befestigten Hufeisenschnauzbart und angeklebten Brusthaaren aus schwarzer Wolle, darüber eine Messingvorhangkette meiner Mutter um den Hals; eine schlimme Pornosonnenbrille mit kackbraunen Gläsern; Karohemd, Stonewashedjeans, weiße Tennissocken und Badeschlappen; einen Kinderkleiderbügel mit Enten und Häschen als „Gitarre“ benutzend. Immerhin wurde ich Zweiter. Und nein, ich habe davon keine Photos.
62 Crime Kaisers: Kill Kill Kill (1997)
Eine der zum damaligen Unfeld gehörenden Bands. War auf ihrer ersten Single und trug seinen Titel zurecht.
63 Trend: Wir haben einen Auftrag (2003)
64 Prong: Whose Fist Is This Anyway? (1994)
2004. Alleine 2 Wochen auf Korsika, auch um meine zweite Heimat einmal richtig kennenzulernen. Ich fahre kreuz und quer über die Insel, übernachte mal bei meiner Familie, mal bei Freunden oder entfernten Verwandten, schaue mir mit meiner fast 90jährigen Großtante in Aiacciu auf ihren Wunsch hin die französische Ausgabe einer Gesangs- Castingshow an, lerne obskure Separatisten und FLNC- Leute kennen, die mich nur nicht aus dem Ort jagen, weil prophylaktisch vorher verbreitet wurde, daß mein Vater Korse sei. So schlage ich mich durch. Ich beschließe, in Bunifaziu, wo man direkt bis nach Sardinien blicken und sogar einzelne Häuser erkennen kann, da es nur 13 Kilometer entfernt liegt, auf einer Terasse den Sonnenuntergang zu betrachten und mich dabei mit Pietra- Kastanienbier zuzulöten. Gesagt, getan. Des Nachts wanke ich zu meinem Auto und lege mich auf den Beifahrersitz, um mitten in der Nacht (um 3 Uhr 30 oder so) von einem lauten Müllauto mit Halogenscheinwerfer geweckt zu werden. Da ich mir scheinbar den Parkplatz des Gewerbehofs als Raststätte ausgesucht habe (wohlgemerkt: Bunifaziu hat 3000 Einwohner ohne Touristen), werde ich in den nächsten 2 Stunden kein Auge mehr zu tun, halbwegs ausgenüchtert bei Anbruch der Morgendämmerung starten und ziellos durch die Gegend fahren. Dazu höre ich die "Cleansing" von PRONG. Nach dem Opener erreiche ich eine Kuppe. Oben angekommen, erstreckt sich vor mir ein gewaltiges Tal, ein unfaßbar überwältigender Ausblick, dazu die ungestörte Sicht auf einen wunderschönen Sonnenaufgang, und punktgenau ertönt das Eingangsriff von "Whose Fist Is This Anyway?". Es sind maximal drei Sekunden, in denen die Welt stehenbleibt, in denen alles perfekt ist, inklusive meiner Laune, ein Moment, den ich mir am liebsten wie ein prähistorisches Insekt in Bernstein gießen würde, um ihn als Halskette zu tragen. Ein Moment, den ich nie wieder vergessen habe.
65 Frankie Goes To Hollywood: The Power Of Love (1983)
Jahrzehntelang wollte ich das nicht gutfinden. Spekulativ an Weihnachten erschienene Kitschballade, um der Welt zu zeigen, daß diese hedonistischen Homos (mit dem Hang, sich bei Fernsehshows danebenzubenehmen) das Herz am rechten Fleck haben. Würrrg. Dann irgendwann: in einer winterkalten Nacht allein in Berlin, ohne jemanden, den man gerne dabeihätte. Im Dunckerclub läuft noch eine Mix- CD, da der DJ erst später anfängt, und ich schlage im noch fast leeren Laden die Zeit tot. Und plötzlich läuft dieser Song und es wird einem alles klar: richtige Zeit, richtiger Ort, richtige Stimmung. Da der Verstand endlich mal schweigt, entfaltet sich die Botschaft des Songs und kommt genau dort an, wo sie eigentlich hingehört.
66 Lou Reed: Dirty BLVD (1989)
V.U. hin, "Transformer" her, das erste Mal, als ich Lou Reed bewußt wahrnahm, hatte er gerade "Dirty BLVD" als Single veröffentlicht und mich sofort am Haken. Die Gitarre, der Sprechgesang, der desillusionierende Text, von dem ich erstaunlich viel verstand (da ich in der Realschule Englisch plötzlich als Hauptfach hatte)... jedenfalls holte ich mir damals mit 16 sofort die Platte, während meine neuen Klassenkameraden fast alle Metal, Rap oder MILLI VANILLI hörten. Die Texte lagen zumindest als Übersetzung bei, und die Platte sollte nicht nur meine Vorstellung von Urbanität bis heute prägen, sondern damit auch die Weichen dafür stellen, warum ich den Gammel in Hamburg oder Berlin der Besenreinheit in München vorziehe. Und Lou Reed war schuld. Bis ich mir eine stattliche Sammlung seiner Platten zulegte und Fan wurde, sollten aber noch ein paar Jahre vergehen. Dann kreuzten zuerst die Banane und anschließend "Street Hassle" meinen Weg. Aber da war ich schon über 30.
67 Fugazi: Reclamation (1991)
Nein, nein und nochmals nein, nicht das bis zum Erbrechen abgenudelte "Waiting Room", sondern dieses atmosphärisch dichte Stück mit den unfaßbaren Helikoptergitarren, dem "Plink" und dem "Plonk". TELE 5 war Ende der 80er/Anfang der 90er noch ein Musiksender und strahlte eine Sendung namens "Off Beat!" aus, mit der ich nichts anfangen konnte. Null. Ich kannte keine Band, und die Musik war nicht immer als solche erkennbar. Trotzdem schaltete ich ab und zu rein, sei's, um die Welt einiger meiner neuen Klassenkameraden in der Realschule zu verstehen, sei's, um mich zu wundern. Einmal erwischte ich "Reclamation" von Fugazi als Livevideo, und das blieb komischerweise hängen. "Steady Diet Of Nothing" war einer meiner ersten Plattenkäufe, nachdem sich mein Geschmack verändert hatte.
68 Stump: Buffalo (1986)
1986 schnitt ich dieses großartig wirre Stück bei (wo sonst?) FORMEL EINS mit Stefanie Tücking mit. Offiziell fand ich das natürlich scheiße, trotzdem schaute ich es mir gut 50 mal an und konnte es trotz rudimentärer Englischkenntnisse am Ende auswendig... um dann mit 13 im, ähm, Meßdienerzeltlager meine Alleinunterhalterqualitäten zu entdecken und es am Lagerfeuer vorzutragen. Würde ich mir heute dabei zuschauen, würde ich wahrscheinlich vor Scham tot umfallen wollen. Die Platte suchte ich geschlagene 17 (!) Jahre lang, bis ich sie und die "Quirk Out"- EP gebraucht im Plattenladen meines Vertrauens entdeckte, und zwar nicht gerade zum Schnäppchenpreis. Ich bezahlte ohne mit der Wimper zu zucken und freue mich heute noch darüber, die Platte zu besitzen. Außerdem muß ich der Welt hier doch verkünden, daß “Buffalo” von STUMP tatsächlich der Song ist, aus dem SCOOTER die Textzeile “How Much Is The Fish” übernommen haben. Jahrelang hielt ich diese Übereinstimmung für einen Zufall, da eigentlich kein Mensch den Song kennt, bis ich eben dies in einem Interview mit H.P. Baxxter las. Irgendwie hat ihn mir das sympathischer gemacht, obwohl ich SCOOTER beim besten Willen nicht ertrage.]
69 Wall Of Voodoo: Mexican Radio (1982)
Als Stan Ridgway 1986 seinen "Camouflage"- Solohit hatte, dachte ich schon, die Stimme käme mir bekannt vor. Konnte das nicht... 1983 schaute ich FORMEL EINS mit Peter Illmann, und eine Band namens WALL OF VOODOO hatte es mir angetan, vor allem der Sänger mit seinem Gummigesicht und der knautschigen Aussprache. Ich hörte "Mexican Radio" noch zwei- dreimal im Radio und dann jahrelang nicht mehr. Natürlich war Stan Ridgway der ehemalige WOV- Sänger, aber das Lied, fand ich trotzdem nirgends. Es tauchte nur ab und zu mal auf, wie um mir höhnisch zuzuwinken, um mir zu beweisen, daß er für mich nicht zu fassen war. Doch dann kam You Tube, und anschließend fand ich für 5 Euro die gebrauchte LP. Danach wurde alles anders. Der Song hat in dem Winkel meines Herzens, in dem ich ihn seit meiner Kindheit herumtrage, bis heute überlebt. Und wenn ich in meine Schreibtischschublade schaue, liegt dort ein vergilbtes Kuvert mit dem ersten Brief, den ich je erhalten habe und den man mir 1980 noch vorlesen mußte. Denn ich konnte die Altfrauenhandschrift meiner Kindergarten- Nonne nicht entziffern, die mir Genesungswünsche ins Krankenhaus schickte... und auf der Rückseite, steht drei Jahre jünger als der Rest und in Kinderhandschrift, da ich vor dem Fernseher so schnell keinen anderen Zettel fand: "wall of voodoo"
70 The Beatles: Hello, Good Bye (1967)
Das darf natürlich nicht fehlen, auch, weil es in meiner Erinnerung die erste bewußt erlebte musikalische Wahrnehmung ist (die zweite ist ABBA, und da bekomme ich heutzutage die Krätze). Meine Mutter hatte eine Single in einer Neuauflage, und zwar diese:
(Bild grad nicht auffindbar)
Gibt es von diversen BEATLES- Songs, immer mit identischem Coverphoto. Mit 4 Jahren mochte ich nicht nur die netten Männer auf dem Cover, sondern auch den Song, den mir meine Mutter auf meinen Wunsch immer und immer wieder vorspielen mußte: "Mami, Mami, Schbeedels! Bidde!" Muß ca. 1977/78 gewesen sein
71 The Who: Happy Jack (1966)
Wenn wir gerade bei den Platten meiner Mutter sind: auch diese 7"- Pretiose entdeckte ich darunter, erstaunlicherweise in einem Freddy- Quinn- Cover, auf dem ein mit rotem Edding beschrifteter Zettel mit dem Namen des richtigen Inhalts klebte. Wie damals mit 13 denke ich heute beim Hören nur eines: Keith Moon trug seinen Spitznamen "The Loon" nicht zu unrecht. Was für ein Wahnsinniger. Ein richtiger Fan wurde ich trotzdem nie, auch wenn ich mir bei unserer Realschul- Abschlußfahrt 1991 in London eine WHO- Baseballkappe kaufte, die ich ein paar Monate lang zur Schau trug. 72 Adriano Celentano: Una Festa Sui Prati (1967)
Hierzu fällt mir nicht viel ein... außer, daß ich den Song schon mein ganzes Leben lang kenne, mag, und sich Celentano in Karlsruhe bei allen Alt- und Ex- Punks aus dem Hackereiumfeld als jedermanns Lieblingsitaliener etabliert hat. Dafür sollte man dankbar sein. Es hätte auch Eros Ramazotti treffen können.
73 Spectre feat. Sensational: Pillars Of Smoke (1997)
Was zur Hölle war das? Selten saß ich mit dermaßen offenem Mund bei einem guten Freund vor dem Fernseher, auf dem gerade dieses Video lief. Anders als bei Tricky war ich sofort begeistert von dieser verkifften Dachschadenmusik. Hier war sie endlich, die Rettung vor dem Ödwerden des Hip Hop. Diese tapferen Wirrköpfe stellten sich einfach quer und machten komplett unkommerzielle Musik. Wie als Beweis dafür erschien das vierte Sensational- Album auf Mike Pattons Ipecac- Label. Ich bin ja mittlerweile einiges gewohnt, aber ein komplettes Sensationalalbum am Stück zu hören, ist harter Stoff., da ist Spectre noch der Zugänglichere der beiden. Aber als (mittlerweile zerstrittenes) Team waren sie unschlagbar.
74 Jeru The Damaja: Come Clean (1994)
Selten hat Hip Hop so sehr das Attribut "kauzig" verdient. Ein Sample, bei dem jeder- wirklich jeder- zuerst an eine Tropfsteinhöhle dachte (und das im Video als chinesische Wasserfolter visualisiert wurde), ein eigenartiger Flow, ein Typ mit einem Schraubenschlüssel auf dem T- Shirt, der im Video 3 Meter groß wirkte und eine lehrmeisterhafte Überlegenheit ausstrahlte (obwohl er eigentlich relativ klein und schmächtig ist), und ein gnadenloser Disstrack in Richtung Westcoast- Gangsta- Deppen. Auch hier: Liebe auf den ersten Blick. Hat leider nach seiner Trennung von Premier, mit dem er sich wegen was auch immer überwarf, kaum noch etwas Vernünftiges zustandegebracht.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
Keine weiße Band verkörperte die dreckige Seite des Blues als Musik für Underdogs dermaßen wie dieses räudige Trio aus Michigan. Eine Band, über die sehr finstere Geschichten kursieren und deren Sänger P.W. Long, zu der damaligen Zeit alkoholabhängig, Gerüchten zufolge auch eine zeitlang gesiebte Luft atmen durfte. Doch scheinbar hat er sich mittlerweile gefangen und macht nicht nur weiterhin Musik, teilweise deutlich entspannter als früher, sondern schreibt auch für diverse Magazine und verdingt sich als Dokumentarfilmer. Als ich die Band 1995 bei einem ihrer letzten Auftritte im Tübinger Sudhaus sah, war er jedenfalls von solch einer relativ gesicherten Existenz noch weit entfernt. Ich kannte die Band nicht und war eigentlich nur dort, weil Kumpels von uns (die TREND- Vorgänger SCUD) das Vorprogramm gaben, und war schwer beeindruckt.. Das Konzertplakat, das ich an der Außenwand abgerissen hatte, hängt heute noch bei mir im Zimmer. "We Know You're Drunk" ist wahrscheinlich ihr härtester Song. Unfaßbar, wie roh man ohne Bratgitarre klingen kann. Ein Kumpel von mir beendete damit vor Jahren im Carambolage sein DJ- Set und sorgte für ein Komplettinferno, als die verbliebenen Gäste sich auf einer mit Glasscherben übersäten Tanzfläche auf dem Boden wälzten und eine Mischung aus Pogo und Freistilringen zelebrierten. Wo ich da gerade war? Mittendrin.
76 John Lee Hooker: Boogie Chillen (1948 )
77 Genesis: Mama (1983)
Natürlich mit voller Absicht auf 77 gesetzt, denn als jemand, der auch nur entfernt etwas mit "Punk" zu tun hat, DARF man Phil Collins natürlich nicht gutfinden. Ist verboten. Dabei findet man unter all der schauerlichen Grütze, die dieser Mensch im Lauf seiner Karriere verantwortet hat, auch den ein oder anderen Treffer. "Mama" fand ich schon als Kind faszinierend, und auch heute noch muß ich zugeben, daß das der GENESIS- Song aus der zweiten Hälfte ihrer Bandkarriere ist, der mir am besten gefällt. Der Stampfbeat, die fiebrige Atmosphäre, der Text... zusammenaddiert großer Psychopathensport.
78 House Of Pain: Back From The Dead (1994)
Der Überraschungsgast in dieser Liste. Wäre vor fünf Jahren wahrscheinlich noch nicht mal entfernt aufgetaucht, hat sich aber mittlerweile als mein Comebacksong nach zweimaliger Rückkehr von den Toten (nach erfolgten beziehungsweise geplanten und sich im letzten Moment als hinfällig erweisenden lebensgefährlichen operativen Eingriffen) etabliert. Ich suchte als eine Art persönlicher Hymne ein Stück dieses Titels, das mir noch dazu gefiel, und das war meine erste Eingebung. Es heißt zwar immer, daß aller guten Dinge drei sind, aber das hat noch Zeit; solange darf das gerne als einfacher Track in meiner Plattensammlung bleiben. 79 Baby Huey: Hard Times (1971)
Kannte ich zuerst als Sample in einem Track von Ghostface Killah („Buck 50“ auf "Supreme Clientele") und fand das Original auf einem Rolling- Stone- Sampler, wegen dem ich mir sogar das Heft gekauft habe. Ich glaube, das war das einzige Mal. Jedenfalls mußte ich sofort die Platte haben, und fand sie als Nachpressung im Hamburger Schanzenviertel, zu einem unverschämten Preis. Bereut habe ich die Investition trotzdem nicht, dieses Stück ist dermaßen gut, daß mir heute noch die Worte fehlen, und wer dazu nicht tanzen kann, ist tot. Mindestens. Apropos: das mit der "Living Legend" (Albumtitel) hatte sich leider auch rasch erledigt. Wenn man heroinsüchtig ist und dazu noch fast 200 Kilo wiegt, geht das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht lange gut.
80 Bob James: Nautilus (1974)
Kannte das Stück früher ebenfalls nur als Sample aus drei verschiedenen Tracks (z.B. "Daytona 500" von Ghostface Killah oder „Follow The Leader“ von Eric B. & Rakim) und entdeckte das Original dann auf einer Samplerreihe namens "Pulp Fusion". Mitte der 90er wohnten Bast und ich im selben Speyerer Schulwohnheim, wo wir eine Menge Spaß hatten. Berüchtigt waren unsere 2- Mann- "Funkparties", deren Ablauf immer gleich war: mit einer Palette Dosenbier und Rauchwaren tauchte einer von uns im Zimmer des jeweils anderen auf, um ihm in brüllender Lautstärke gegenseitig alte Funk-, Soul-, Blues- und HipHop- Platten vorzuspielen, die Proteste anderer Heimbewohner geflissentlich ignorierend. Das endete irgendwann damit, in nur noch rudimentär menschlichem Zustand einfach umzufallen, meist in der Morgendämmerung. Und "Nautilus" brachte uns dann vorsichtig ins Bett.
81 Shorty: Coopie N' Me (1992)
82 Melvins: Joan Of Arc (1993) 83 Captain Beefheart and the Magic Band: Ice Cream For Crow (1982)
Begegnet war mir dieser ganz große Wahnsinn bereits auf "Trout Mask Replica", die ja in punkto Weirdo- Musik fast nicht zu toppen ist. Aber als ich Mitte der 90er diesen Song samt dem unglaublichen Video auf- ausgerechnet- "MTV's Alternative Nation" sah, begab ich mich sofort auf die Suche nach der Platte, die ich erst Jahre später im Laden meines Vertrauens fand. Des Captains Abschied vom Musikbusiness.. Nach Mainstreamquatsch wie "Absolutely Guaranteed" im gesetzten Alter noch solche Steinkauzmusik als letzten Gruß zu hinterlassen, ist schon sehr, sehr würdevoll. 84 Peter Moesser's Music: Happy Time (1966)
Mein Kumpel Tex Dixigas mutmaßte einmal, ich hätte meine Kindheit vor dem Radio angekettet verbracht, da ich so viel unnützes Wissen angehäuft habe. Wahrscheinlich hatte er irgendwie recht, denn in meinem Kopf sind jede Menge Jingle- bzw. Erkennungsmelodien abgespeichert, die ich später allesamt wiederentdeckte. Seien es nun Herb Alpert, "Afrikaan Beat" von Bert Kaempfert oder Billy Vaughn. Am meisten gefreut habe ich mich aber über diesen Zufallsfund aus der Ramschkiste, in meiner Kindheit die Erkennungsmelodie der gar schauerlichen Wunschsendung "Vom Telefon zum Mikrofon" auf- damals- SWF1, die meine Mutter spätabends in der Küche hörte. Die Titelmelodie war das einzig Erträgliche, bevor man dann mit Andy Borg, WIND oder Fred Bertelmann gefoltert wurde.
85 Shellac: Wingwalker (1992)
86 Billy Idol: Rebel Yell (1983)
Eigentlich könnte ich jede Single von ihm aus den 80ern nehmen (von "Sweet Sixteen" mal abgesehen), denn Billy Idol war früher der coolste Mensch der Welt. Was hab ich als Fünftklässler nicht versucht, meine Oberlippe hochzuziehen, oder mit gereckter Faust vor dem Schlafzimmerspiegel meiner Eltern herumgekaspert. Und dabei gehofft, in meiner Pubertät irgendwann wie Billy Idol zu sein. Es ist kein Geheimnis, daß daraus nichts wurde, aber sein Frühwerk mag ich heute noch.
87 Eric B. & Rakim: Know The Ledge (1992)
Rakim ist für mich nach wie vor einer der besten Rapper überhaupt, und prägende Stücke von ihm gibt es einige: "Paid In Full" im Remix, das 1986 sogar ein kleinerer Single- Hit in Deutschland war (und infolge eines außergerichtlich geregelten Plagiatsstreits gleich noch die Karriere von Ofra Haza befeuerte); "Follow The Leader", einer der besten Tracks EVER; "Guess Who's Back" von der ersten Rakim- Soloplatte… ich habe bei der Auswahl wirklich mit mir gerungen. Letzten Endes fiel meine Wahl auf "Know The Ledge". Ich finde es heute noch absolut zeitlos, und die Art und Weise, wie das Stück durchkomponiert zu sein scheint, indem diverse Samples punktgenau eingesetzt werden, hebt es weit über den Durchschnitt.
88 Stevie Wonder: Sir Duke (1976)
Eine meiner schönsten musikalischen Kindheitserinnerungen. Lief damals immer im Radio, zumeist frühmorgens, wenn sich meine Mutter im Bad unserer Mietwohnung im Dorf wusch und anzog, um zur Arbeit zu fahren. Da mein Kinderzimmer direkt angrenzte, lag ich morgens still da und lauschte, keinen blassen Schimmer habend, daß der Song "Sir Duke" hieß... und hätte ich es gewußt: ich hatte damals auch keinen blassen Schimmer davon, wer damit gemeint sein könnte. Ich freute mich ganz einfach, wenn der Bläsersatz am Anfang ertönte, da ich wußte, daß ich nun 4 Minuten schwelgen würde. Und heute? Wenn der Bläsersatz ertönt, weiß ich, ich werde vier Minuten schwelgen... und in dieser Zeit wieder 6 Jahre alt sein.
89 Clutch: A Shogun Named Marcus (1993)
Kaum zu glauben, daß diese Band mehr als zwanzig Jahre und zehn Alben später immer noch in derselben Besetzung besteht und heutzutage erdigen, bluesinfizierten Rock macht. In ihrer Anfangszeit war das manisch- räudiger Noiserock mit komplett dadaistischen Texten und einem Sänger, der damals noch kein vollbärtiger Gnom war, der teilweise begnadet singt, sondern ein magerer, bartloser Gnom, der mit seiner Magensäure gurgelte. Sah ich 1992 in der Stadthalle KA- Durlach live als Vorband der unsäglichen BIOHAZARD, war sofort Fan und bin es bis heute geblieben, auch, da die Musik, die sie heute machen, immer noch exakt meinen Geschmack trifft. Aber die ersten beiden Alben und die „Passive Restraints“- EP haben bei mir einen besonderen Status.
90 The The: Slow Train To Dawn (1986)
Dieser Song samt zugehörigem Video prägt bis heute meine Vorstellung von Matt Johnson als sinistrem, dämonischem, obsessivem Charakter, und vor allem als Pubertierender fand ich das faszinierend. Die weibliche Stimme gehört übrigens der damals noch blutjungen, völlig unbekannten Neneh Cherry. 91 Jackie Wilson: Higher And Higher (1967)
Dazu fällt mir gerade mal gar nichts ein. Doch: großartig. Reicht das? 92 Sade: Smooth Operator (1984)
93 Sick Of It All: Just Look Around (1992)
Als 19jähriger Politpunk hörte ich das zum ersten Mal und war vom Text und der Attitüde sofort gebannt. "The question they keep asking me how can one so young be so bitter and angry well, the answer is plain to see maybe if they wern't so blind they'd see what i see"
Das war nicht unbedingt hochphilosophisch oder tiefenpsychologisch, sondern einfach so, wie ich damals dachte, und da brauchte es keine komplexen Analysen. Natürlich folgte der Albenkauf (knapp 30 Minuten rasante Musik; der Titelsong war das einzige langsame Stück). Die Band besaß da schon einen Majorvertrag und sah sich den unvermeidlichen Ausverkaufsvorwürfen ausgesetzt.. Meiner Liebe zu dieser Band, die mittlerweile 23 Jahre und 10 Alben lang hält, tat dies dennoch keinen Abbruch. Trotz Majordeal immer noch integer, sympathisch, bodenständig und um einiges intelligenter als die sonstigen NYHC- Troglodyten. Eines der schönen Beispiele, wie Bands mit ihren Fans altern, denn bis auf den damaligen Bassisten ist noch die in Ehren ergraute Originalbesetzung am Start.
94 The Housemartins: Happy Hour (1986)
95 Nino Ferrer: Le Téléfon (1969)
Kannte und mochte ich schon als Kind und entdeckte die Single mit Mitte 20 in einem verstaubten Plattenstapel in der Garage meiner Eltern. Ich wußte nicht, das dies jener Song war, als ich nach Ansicht des Covers neugierig wurde und deswegen reinhören wollte.
Dementsprechend groß war meine Freude, da auf eine versteckte Perle gestoßen zu sein. Kurz darauf beschwatzte ich meine Eltern so lange, bis ich die Single mitnehmen durfte, und irgendwann wanderte dieser schicke Retrostampfer mit dem grandiosen Schwachsinnstext in mein DJ- Set. Das nennt man wohl "unerwartetes Comeback".
96 Ian Dury and the Blockheads: Hit Me With Your Rhythm Stick (1979)
Wenn wir gerade bei DJ- Sets waren: ich LIEBE diesen Song ebenfalls schon seit meiner Kindheit... und da er fast immer funktioniert, lege ich ihn auch jedesmal auf, wenn ich auf Nummer sicher gehen will. Ian Dury war- allein durch die Art von Humor, wie er mit seiner Behinderung umging (er war Spastiker)- einfach eine coole Sau (wem ein anderer Ausdruck einfällt, bitte melden). Leider hat er auch ziemlich viel Grütze fabriziert, aber das ist ein Song für die Ewigkeit. (Bemerkung am Rande: wurde ebenfalls von den FREAKY FUKIN’ WEIRDOZ verhunzt, noch dazu im Verbund mit Nina Hagen. Warum hat dagegen eigentlich nie jemand was unternommen?)
97 Grace Jones: Pull Up To The Bumper (1981)
DJ- Set, die dritte: im Vergleich zu ihrer talentfreien Möchtegernimitation nun wirklich eine Art Gesamtkunstwerk: innovativ, elegant, stilvoll- kühl, mit diesem Schuß Arroganz in der Stimme, der bei ihr eindrucksvoll funktioniert. Sie lebt(e) zwar weitgehend von Coverversionen, aber besser gut gecovert als Lady Gaga. Und dieser Track funktioniert erstaunlicherweise ebenfalls IMMER.
98 Pantera: Mouth For War (1992)
Hatte ich damals als Tape- zu- Tape- Überspielung von einem Kumpel, bis ich mir die CD leisten konnte. Als ich diese dann einlegte, zerbröselte ich samt meiner Zimmereinrichtung. Obwohl ich harte Musik gewöhnt bin, kann ich mir heute in punkto Riffs, Produktion, Attitüde und Gesang kaum eine brutalere Platte vorstellen als die "Vulgar Display Of Power". Ein absoluter Meilenstein, egal, was man von Phil Anselmo halten mag. 99 Kate Bush: Cloudbusting (1985) "But every time it rains, You're here in my head, Like the sun coming out Ooh, I just know that something good is gonna happen. "
Wenn man selbst vor nicht allzulanger Zeit seinen Vater verloren hat, paßt diese Zeile besser, als man es sich wünscht.
100 Dr. Dre feat. Snoop Dogg: Deep Cover (1992)
Dr. Dres Solodebüt mit einem neuen jungen Rapper, der damals noch nicht zur Witzfigur mutiert war. Faszinierend, wieviele Tracks Dre aus dem Synklaviersolo von Isaac Hayes' "Hyperbolicsyllabicsesquedalmystic" (heißt wirklich so) herausmelken konnte. Erinnert mich ebenfalls an eine Ex- Freundin; ironischerweise, weil sie diesen Track auf einer Sampler- CD hatte und ständig überskippte, da sie ihn nicht mochte. Dafür mußte sie ihn in meinem Beisein umso häufiger ertragen.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
Neee, bitte nicht. Es werden hier eh viel zu viele Sachen eingefügt. Das wird dann wieder viel zu unübersichtlich. Lass doch einfach die Worte wirken. Jeder ist in der Lage, den Song dann selbst zu finden, wenn er möchte.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
100 YouTube-Einbettungen auf einer Seite werden den Thread definitiv zerstören, da hängt der Browser erstmal ein Weilchen dran. Schon der Coverversionen-Thread ist ja teilweise schwierig. Dann lieber einfach nur den Link zum Video druntersetzen, dann kommt jeder schnell ans Video und der Thread lädt trotzdem flüssig.
Mama, warum Bekomm ich's immer so Wie ich es bestellt hab?
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24.07.2015 10:04 (zuletzt bearbeitet: 29.10.2015 09:58)
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