Selbst wenn ein Lied Drogen verherrlicht, hinkt der Vergleich mit dem Aufruf zur Vergewaltigung gewaltig. Für mich ist es ein Riesenunterschied, ob jemand (vermeintlich) dazu aufruft selbst Drogen zu nehmen oder ob jemand zu Gewalt an anderen aufruft.
Die treuesten Konsumenten und die Herrscher aller Konten konnten nicht verhindern, dass die Revolution aus ihren Kindern Studenten und die Zeit aus ihnen Empfänger von Renten machte. Die Türen
Ich glaube, man kann sich darauf einigen, dass man beides nicht mögen muss.
Was den Song Heroin angeht, so ist mir, als hätte Lou Reed den Song als Teenager geschrieben, lange bevor er es zum ersten Mal genommen hatte. Für ihn war die Vorstellung Heroin zu spritzen faszinierend, und er hat darüber geschrieben. Das ist erstmal legitim, aber wie gesagt: Mögen muss man es nicht. Mir gefallen auch keine Sauflieder. Die sind auch selten interessant. Zu drogenverherrlichenden Liedern habe ich auch meinen Abstand. Ich bin zwar in meiner Haltung zu Drogen sehr liberal, aber jemanden zu gefährlichen Dingen überreden zu wollen, halte ich schon für problematisch. Nur ist das m.E. eher selten eindeutig der Fall.
Alice In Chains haben sich nach ihrem legendären Album "Dirt" oft mit Fanpost konfrontiert gesehen, wo RezipientInnen die Texte als Glorifizierung verstanden haben, und ihren Beifall dazu bekundeten. Texte, wie der von Junkhead, sind durchaus ambivalent. Das Album insgesamt erzählt allerdings oft und viel von den Problemen und Seelenqualen, die mit der eigenen Drogenabhängigkeit einher gehen, und laut eigenen Aussagen war das durchaus als Warnung gedacht. Allerdings nicht auf die Art, wie man sie von Popsternchen kennt, die behaupten selbst keine Drogen zu nehmen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Also "Dirt" ist ja nun ein großartiges, aber wirklich runterziehendes Album. Wenn Heroin nehmen so ist, wie diese Platte klingt, ist das für mich Lichtjahre von einer Glorifizierung entfernt...
Die treuesten Konsumenten und die Herrscher aller Konten konnten nicht verhindern, dass die Revolution aus ihren Kindern Studenten und die Zeit aus ihnen Empfänger von Renten machte. Die Türen
So, zurück zum Thema, ich bin der Meinung, daß ich mich da im ersten Überschwang wohl auch mißverständlich geäußert habe. Daß unter Drogeneinfluß einiges an bedeutender Kunst entstanden ist, ist keine sonderlich neue Erkenntnis. Genausowenig ist es noch ein großes Geheimnis, daß ich selbst in meinem Leben vermutlich mehr Drogen genommen habe als gut für mich waren, auch wenn ich schon seit Jahren die Reißleine gezogen habe. Ich bereue das nicht; es ist keine Erfahrung, die man unbedingt gemacht haben muß oder die ich jemandem dringend anraten würde, aber ich komme rückblickend größtenteils damit klar. Deswegen liegt mir auch einseitiges Moralisieren, was mir im Rahmen dieser Diskussion mehr oder weniger latent unterstellt wurde, mit Sicherheit fern.
"Heroin" und "White Rabbit" entstanden zu einer Zeit, in der Jugendliche zum ersten Mal versuchten, mit bürgerlichen Konventionen zu brechen, wozu Drogen ein gutes Mittel waren; zudem war die Drogenaufklärung damals recht dürftig, denn auch wenn es schon in den dreißiger Jahren Junkies gab (man nehme nur die ganzen bekannten Jazzer, die waren ja fast alles auf Heroin), denke ich nicht, daß das im öffentlichen Bewußtsein bereits eine große Rolle spielte. Medial wurde das erst in den 70ern und 80ern zum großen Aufmacher und auch ein Thema im Schulunterricht. Insofern kann ich mir - abseits aller Killerspieldebatten - schon vorstellen, daß beide Songs damalige Jugendliche zum Konsum verleitet haben; Lemmy Kilmister beispielsweise (Kommentar zu seinem sonstigen Konsumverhalten überflüssig) gibt Lou Reed in "White Line Fever" explizit die Schuld daran, daß Leute aus seinem Umfeld zu Junkies wurden. Ich kann das natürlich nicht überprüfen, aber da Lemmy nun mal direkt dabei war, bin ich geneigt, ihm zu glauben.
Aber wie gesagt, das war der damalige Zeitgeist; damals gab es nur totales Verdammen, komplette Ahnungslosigkeit oder völlig gedankenlose Verherrlichung, also sind das traurigerweise Kollateralschäden, die man in Kauf nehmen mußte, bis man es besser wußte. Das Problem, das ich - der ich halt auch mit Ex - Junkies und Leuten, die auf LSD hängengeblieben sind, beruflich zu tun habe - mit genannten Songs habe, ist, wenn sie quasi 1 : 1 in die Jetztzeit transferiert werden. Klar sind die musikalisch toll, aber wenn meine gute Freundin Patti Smith heutzutage noch "White Rabbit" covert, als säßen in geschlossenen Psychiatrien nicht genug Hängengebliebene, die behaupten, daß Außerirdische durch Hundeaugen mit uns Kontakt aufnehmen (Tatsache), ist das für mich nicht nachvollziehbar. Und deswegen kann man "Heroin" auch mal trotz aller musikalischen Brillanz heutzutage als "Kacksong" bezeichnen, ohne daß darum jemand ein Faß aufmachen sollte. Es gibt noch mehr gute Songs, die den Wandel des Zeitgeists nicht unbeschadet überstanden haben, und der gehört mit Sicherheit dazu.
Und bevor die jemand auffährt: ich liebe nach wie vor Cypress Hill, aber mittlerweile geht mir diese immerwährende Kiff - Verherrlichung auch auf die Nüsse; die Zeit, in der Kiffen tatsächlich verhältnismäßig harmlos war, ist mit diesem ganzen hochgezüchteten Scheiß, den man heutzutage kriegt, ebenfalls schon lange vorbei. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
Vielleicht habe ich mich jetzt etwas nachvollziehbarer geäußert.
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16.02.2021 14:04
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